Auch ein Lektor möchte glücklich sein. Möchte, dass alles irgendwie flutscht und möglichst wenig eklige Fehler im Text verbleiben. Keine verschluckten Buchstaben, keine Buchstabendreher, kein Unsinn. Der Zustand der Glückseligkeit ist, wenn ein makelloser Text zur Abgabe gelangt.
Aber Mensch ist Mensch und nicht Glücksmaschine, also rutschen immer mal wieder Schönheiten durch wie „Sonnenschien“, „Schlagentzug“ (statt „Schlafentzug“) oder „Scheiß endlich!“ (statt „Schieß endlich!“) und torpedieren das allumfassende kosmische Buchstabenglück. Übersetzer leisten Großes, aber sie tippen mitunter ziemlich was zusammen, und deutsche Autoren schreiben ohnehin meistens, als sei ihnen ein bisschen etwas durcheinander geraten, weil sie alle paar Minuten zur Förderung der Kreativität in die Steckdose greifen.
Früher hatte man nur Papier, die eigenen Augen und einen Stift, und die Korrektoren in der Herstellung fingen die schlimmsten eigenen Versäumnisse auf – sofern sie das Korrekturzeichengekrakel überhaupt lesen konnten. Heute zieht man Glückseligkeits-Software hinzu.
Nun ist bekanntlich die WinWord-eigene Prüfung ein ziemlicher Mist. „Sonnenschien“ wurde nicht bemerkt. Dieser Funktion sollte man so weit vertrauen, wie man seine Regalwand werfen kann. Nichts anderes als eine hochdosierte Unglückspille aus dem Hause Mikroweich.
Ich hatte mir schon vor langen Jahren mal zur Unterstützung den „Duden-Korrektor 2.0“ angeschafft, um solche tückischen kleinen Miststücke aufzuspüren. Kann man ja nichts falsch machen, dachte ich, ist ja Duden. Generell ist das Programm auch durchaus in Ordnung; es findet Glückssaboteure durchgehend. Ich fragte mich allerdings neulich, warum ich diese Glückshormonkatapultschleuder nach recht kurzer Zeit damals wieder deinstalliert hatte. Irgendwie war ich wohl doch unglücklich mit ihr. Also installierte ich sie neu und begriff sehr schnell, was mich vor Jahren in den Zustand des notorischen Unglücklichseins versetzt hatte. Romantexte sind lang, manchmal wirklich sehr lang. Und der Duden-Korrektor vertieft sich so derart in seine Arbeit mit WinWord, dass die Texte kaum noch handhabbar werden - eine ganze Wagenladung an Unglücklichsein. Er benötigt für jedes Fitzelchen Rechenoperation irre lang, und wenn es zackzack gehen muss, sitzt man bloß unglücklich davor, wartet, bis das Mistding endlich die Befehle ausführt, und beobachtet den Sekundenzeiger der Armbanduhr, den Lauf der Sonne, den der Gestirne, das Abschmelzen der Gletscher, die Kontinentalverschiebung und macht zwischendurch noch einen traurigen Wanderurlaub in den Bergen, wo es gerade in Strömen regnet. Ganz und gar nicht glücksfördernd ist auch, dass das Programm einem oft genug das Format zerschlägt und man nach einem endlos lahmarschigen Korrekturdurchgang noch einen weiteren per Hand machen muss, um die Zerstörungen, die der Korrektor angerichtet hat, wieder zu reparieren. 500-600 Seiten nochmal nach unschönen Tätlichkeiten des Korrektors abklopfen. Definieren Sie Unglück: Duden-Korrektor.
Und den ganzen Quatsch tut er auch dann, wenn man seine Dienste gar nicht benötigt, beim reinen Schreiben eines Texts wie etwa diesem hier. Zeilen zittern, Tasten scheinen verzögert zu reagieren. Das alles führt dazu, dass WinWord, das wichtigste Programm des Kosmos, weitestgehend zum Quell stetigen Unglücklichseins wird. Eine vage Möglichkeit zur Glücksrekonstitution: Den Korrektor vor dem Redaktionsdurchgang deinstallieren, um mit Normalgeschwindigkeit arbeiten zu können. Ihn dann für einen Korrekturdurchgang reinstallieren, um ihn dann wieder zu deinstallieren und in einem letzten Durchgang seine einmal angerichteten Formatzerstörungen zu beheben. Pust, schwitz. Das hört sich nicht nur an, als sei es suboptimal, es ist konzentriertes Unglück. Brähaaa, brähää!
Gerüchten zufolge gab es seitdem immer mal wieder neue Versionen des Duden-Korrektor, und ab der Version 3.5, heißt es, sei es deutlich glücksfördernder geworden, denn ein neuer Algorithmus bewirke eine bessere, glücklichere Einbindung des Plug-Ins in WinWord. Es scheint dennoch ein Vabanque-Spiel zu bleiben, wenn man sich die Kundenreaktionen in diversen Foren und Plattformen so anschaut. Manche haben mit dem 4.0 oder 5.0 wenig Probleme, andere sprechen davon, die Programmierer in den Neptun-Orbit schießen zu wollen, damit sie dort im Vakuum weiterprogrammieren und kein irdisches Unglück mehr anrichten. Aber immerhin, es gibt Testversionen zum Download. Voller Skepsis und Unglückshormonen im Urin habe ich die schlanke 5.0-Version heruntergeladen, und was soll ich sagen? Sie tut es tatsächlich. Sie tut es! WinWord benötigt etwas länger beim Laden, aber danach läuft alles ohne Verzögerungen. Ich werde das Ding beim nächsten Job anwenden und sicher einige Macken entdecken, aber bis jetzt scheint der Korrektor dem Zustand der Lektoren-Glückseligkeit förderlich zu sein.