Samstag, 5. März 2011

BÖC: Heaven Forbid

Obwohl ich damals, 1998, von diesem Album angenehm überrascht war, behandelte ich es etwas stiefväterlich. War ein Pflicht- und weniger ein Leidenschaftskauf. Ich war seinerzeit musikalisch anders drauf. Aber statt zu verblassen, wurde Heaven Forbid mit den Jahren immer besser und gehört heute zu den präzisesten Punktlandungen überhaupt. Das beste 'späte' Hardrockalbum der Welt. Es stammt von alten intermedialen Phantastikern und Postmodernisten, die Plündern und Neuschöpfen mit Augenzwinkern betrieben. Eine Band, die Einfluss auf allerhand jüngere genreliterarische Strömungen nahm, da die Autoren mit ihr aufgewachsen waren.
Die Band zeigte Mitte der Achtziger ernsthafte Zerfallserscheinungen und ging 1988 mit opernhaftem, kraftmeierischem Bombast unter. Am Album Imaginos hatten zu viele Köche gekocht, gedünstet, gebraten und geschnippelt. Und dann schmiss auch noch die Plattenfirma hin. BÖC war tot, die Zeit für ihre Art der Inszenierung vorbei. Sechs Jahre später erhoben sich die reanimierten Leichname mit einer Strategie der Reduktion: alte Klassiker in abgespecktem, fast puristischem Gewand. Danach wieder Totenstille. Vier Jahre lang. Dann Heaven Forbid, eine kreative Leistung, die man der Band nicht mehr zugetraut hätte. Die alten epischen Qualitäten werden in den Kontext einer neuen, ruppigeren Zeit gestellt, ohne die Ironie zu verlieren. Es gibt hier einige ausgewiesene, knochenharte Heavy-Metal-Songs, die sich unter die ‚Erzählstücke’ mischen. Double Bass, zentnerschwere Riffs, aufgebrochen von bluesigen Leads, straight nach vorne geprügelt. Und auch die erzählerischen Stücke bekommen einen kräftigen Anstrich verpasst (Rhythmusgruppe: Miranda/Bürgi), bleiben dabei aber stets wunderbar sentimentale, völlig rund laufende Miniaturepen voller Druck und musikalischer Ornamente. Wie üblich wird die Gesangsarbeit gewinnbringend aufgeteilt zwischen Roeser (weich) und Bloom (hart). Völlig zeitlos, großartig unterhaltsam. Ein typisches Beispiel für die im klassischen Sinne gruselige BÖC-Ästhetik ist etwa der im Refrain neben die Leadstimme gelegte, sakral nachhallende Harmoniegesang in „Cold Gray Light of Dawn“.

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