Sonntag, 13. März 2011

"Ich regel das"

Er nennt sich selbst gern den „Florian Silbereisen des deutschen Kabaretts“, womit er anspielt sowohl auf sein blendendes Aussehen wie auch auf seinen robusten volksmusikalischen Ansatz. Gestern Abend in der Comedia und im neuen Programm „Ich regel das“ wählt Andreas Rebers hingegen die religionsstiftende Vorgehensweise, berichtet von der Gründung der Glaubensgemeinschaft der „schlesischen Bitocken“ und von deren Sakralbau, dem „Großen Mompel“ in Boblowitz. Damit zieht er sich einen neuen Beinamen zu, nämlich den des „Spottpredigers des deutschen Kabaretts“.
Will man das unbedingt analysieren und politisch einordnen, so verbirgt sich dahinter womöglich eine gewisse Grundtraurigkeit darüber, dass die deutsche Linke und ihre Wählerschaft längst zu einem gruseligen Witz heruntergewirtschaftet wurden, zu einem Mode-Gag in Sachen politischer Korrektheit und innerem Selbsterfahrungsexil. Für den „Blockwart Gottes“ (Presse) ist es ein gefundenes Fressen, wenn sich in der Endverbraucher-Epoche die alten Weltmodelle verwirren und er links herum rechte Haken genau in die Mitte platzieren kann, und andersrum zurück. Das erzeugt eine großartige Irritation, vor allem bei den politisch Korrekten. Insofern ranken sich Rebers’ Metageschichte wie auch seine Mikrodramen mit Vorliebe um benachteiligte Alleinerziehende („Benachteiligt? Zu Recht!“), Weltverbesserer in der inneren Mongolei, Schockpädagogik mittels Medienkompetenz und Dachlatte, Vaginakurse in der Toskana, „Bio-Wildlachs auf Holzofenbrot“ (zwei widersinnige Benennungen auf einmal), Radfahrer, die von Elektromobilen überfahren werden, die Gründung der Grünen und den nicht zu Ende gedachten Themenkomplex Krötenwanderung. Und die wichtigste Erkenntnis des Abends lautet „Die Ente ist weiter“. Wer rhetorisch mal so richtig unter Feuer genommen werden möchte, der gehe zu Rebers und setze sich seinen Breitseiten aus, die aufgeladen sind mit absurder biblischer Wucht, polternder Eskalation, völliger Unberechenbarkeit und blitzender Feinsinnigkeit. Im zweiten Teil des Programms wird der misantropisch bösartige Tonfall des religionsstiftenden Blockwarts nahezu unmerklich überführt in Nachdenklichkeit und Melancholie, und da kommt sie hervor, die all dem zugrunde liegende Traurigkeit. Da hat man ihn plötzlich vor sich, den echten Poeten. Dazwischen gibt es immer mal wieder ein flottes Liedchen („Lasset uns singen“), denn Rebers hat es noch drauf, das Couplet, und er hat es auf dem Akkordeon, am Keyboard und an der Rhythmusmaschine beeindruckend modernisiert.
Nun ist bekanntlich jeder Jeck anders, und oft genug bedeutet Humor auch nur, dass man trotzdem lacht. Zwischen Herrn Rebers, dem Sinnstifter, und mir, dem Kabarett-Endverbraucher, hat sich jedoch an diesem Abend eine tiefe Frequenz aufgebaut, die weitreichender brummt als nur auf der Ebene eines möglichst reuelosen Amüsements. Soweit es mich betrifft, ist er das: der beste Kabarettist der Republik.