Donnerstag, 17. März 2011

BÖC: Spectres

1977. Sehr erfolgreiches Beinahe-Konzeptalbum, das zusammen mit dem Vorgänger Agents of Fortune den Hardrock auf eine neue Ebene zu heben gedachte und ihn quasi überwand. Es finden hier wunderhübsche Transformationen statt, während derer Hardrock zu Pop wird, Progressive Rock auf den reinen Song heruntergebrochen wird, Deklamation und Erzählung nebeneinander stehen, Mainstream-Bagatelle und großes Drama aufeinander treffen, geschniegelter Perfektionismus und harter Rock-Anschlag kooperieren, flockiger Single-Hit und Hymne einander begegnen, Kurt Weill im Grand-Guignol-Modus spielt. Überraschungseffekt und Unterhaltungsfaktor sind hoch, allerdings tendiert die Platte zum Süßlichen und drängt das Saure zunehmend an die Seite. Hardrock ist das nur noch am Rande. Der Rolling Stone beschrieb die Band damals als „Fleetwood Mac of heavy metal“.
Man könnte die Vokabel „Spectres“ statt mit „Gespenster“ mit „Phantome“ übersetzen, um den Konzept-Charakter hervorzuheben. Es geht in den Songs viel um Gespenster und Spiritistisches, und das Cover suggeriert eine Séance mitten in unaufgeräumten Grusel-Requisiten. Es treten aber auch populäre Monster und andere Phantome auf, und das Album wird so zu einem Plünderungszug durch Grusel-Motive, einer geschmackvollen Hommage an den B-Horror und seine zeitlose Werthaftigkeit. Die Bandbreite dieses Genre wird abgebildet durch die stilistische Vielseitigkeit der Musik, die rumpelnd apokalyptisch („Godzilla“) und zärtlich romantisch („I Love the Night“) zugleich sein kann und doch von ein und derselben Band eingespielt wird. Die Konstruktionen sind komplex bis banal, ein Album, das erforscht werden will. Die eleganteste aller BÖC-Platten.

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