Sonntag, 5. Juni 2011

Heisterbach

Es scheint zur schönen Tradition zu werden, dass gänzlich ahnungslose Musiker der Gemahlin zum Geburtstag ein Ständchen bringen. Letztes Jahr war es im Altenberger Dom eine Probe des Tölzer Knabenchors, diesmal probte ein gesichtsloser Pianist nebst Streichquartett in der Scheune des Klosters Heisterbach für ein Konzert tags darauf. Es wurde Lehár gegeben.
Heisterbach. Im Siebengebirge, irgendwo im Gebüsch oberhalb von Königswinter. Am besten zu erreichen über den puppigen Ort Oberknollen-, nee Oberdollendorf. Unten an der Straßenbahnstation und der Verkehrskreuzung etwas schäbig, weiter oben wie aus der Zeit gefallen. Die Anreise ist eine hübsche Kombination aus ÖPNV und eigenen Quadratlatschen. Kurz an der Bundeskunsthalle rausgehüpft und am versteckt liegenden Bundesgetränkeautomaten ein paar Cola-Flaschen gezogen. 1,10 €, wo gibt’s so was heute noch? In der Straßenbahnstation Ramersdorf (Umsteigen) kennen sich die Leute alle und unterhalten sich über die Gleise hinweg. Ziemlich heiß in den Zügen. Die Getränke in des Gatten Umhängetasche heizen sich auf. Warme Cola schmeckt wie Füße.
Zur Sache. Heisterbach. Ehemaliges Zisterzienserkloster. 1192-1803. Der berühmteste Mönch war der Chronist Caesarius von Heisterbach (Dialogus miraculorum). Die geistlichen Gebäude wurden um 1810 abgerissen, Funktionsgebäude blieben. Pittoreskes Torhaus. Stehen blieb auch der Chor der Abteikirche, der etwa ab 1820 beliebtes Objekt der romantischen Malerei wurde. Verständlich, wenn man ihn so sieht. Die eigene Anwesenheit wird fotografisch belegt. Das verschlafene Areal soll baulich aufgewertet werden (Landschaftspark usw.), weswegen Bauarbeiten im Gange sind. Es wird mit „Ruhe und Einkehr“ geworben, dennoch ist die Terrasse der Klosterschenke recht belebt. Alle sind erschöpft vom Wanderwegenetz, und es verlangt sie nach Ruhe und Einkehr. Aus der Scheune nebenan erklingt derweil piekfein der Lehár. Ein waghalsiges Kind fährt mit seinem Rad gegen eine Mauer und heult lautstark rum. Nie was gehört von Ruhe und Einkehr. Verhaltener Applaus von der Terrasse, denn der Knabe hat die ganze Zeit genervt, als er noch zwischen den Tischen herumkurvte.
Der Rückweg geht bergab, ist meistens leichter. Oberknollen-, nee Oberdollendorf zeigt sich immer noch in der Zeit erstarrt, nur die blöden Autos sind Anachronismen. Auf der Rückfahrt kackt der Straßenbahnzug ab, und die Fahrerin kündigt an, ihn in Wesseling austauschen zu lassen. Wir rechnen mit stundenlanger Verzögerung bei 32 Grad, aber die Sache geht so schnell vonstatten, dass man es kaum mitbekommt. Man sollte auch die vielgescholtene KVB mal loben dürfen.

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