Auf dem Speicher des Elternhauses liegen noch viele von ihnen herum, die Miniaturen der Kindheit. In Kisten und Tüten, verborgen unter umgekippten Bücher- und Zeitschriftenstapeln, zwischen eingemottetem Haushaltsmaterial und Staub und von den Jahrzehnten malträtiert.
Es wurde Zeit, mal mit einer Dokumentation dieses Materials zu beginnen. Es wertzuschätzen. Besser spät als nie.
Hier die Fotostrecke.
Da ich nicht alles auf einmal schaffen konnte, wurde gesiebt. Die ganzen Playmobil-Tableaus (Bauarbeiter, Feuerwehr, Ritter, Fernsehteam) wurden weggelassen, weil sie mehr Spielzeug sind als Miniatur. Bei der raren „Bundeswehr“-Edition von Play Big konnte ich hingegen nicht widerstehen. Für das Ablichten der beiden Play-Big-Fußballteams (Deutschland u. Italien) meines Bruders fehlte mir die Zeit. Manches ist auch so ramponiert, dass kaum noch zu erkennen ist, was es einmal darstellen sollte. Es gibt also durchaus noch mehr, aber für den Moment bin ich erschöpft. Andererseits ist einiges, an das ich mich erinnere, spurlos verschwunden. Die völlig kaputte Carrera-Bahn wurde irgendwann entsorgt, leider auch die hübschen Rennautos. Modelleisenbahn hat uns nie interessiert. Hätte zu viel Geduld gefordert, außerdem waren wir hauptsächlich an Kaputtschlagen und Aus-der-Kurve-fliegen interessiert.
Liebhaber und Sammler müssen beim Betrachten dieser Fotos sehr, sehr tapfer sein. Man konnte einem Siebziger-Kind mit robuster Spielambition nun mal nicht erklären, dass sein Spielzeug eventuell mal Sammlerwert erlangen wird und es, das Kind, daher pfleglich mit ihm umzugehen hatte. Es am besten gar nicht erst anfasst. Es erst recht nicht vom Balkon schmeißt, nicht darauf herumspringt, es nicht dem kleinen Bruder an die freche Birne ballert, nicht darauf herumkaut, keine China-Böller darin zündet, nicht Godzilla oder die jüngste Autoverfolgungsjagd aus dem Fernsehen möglichst naturalistisch nachspielt. Für Sammeln hatte das Kind damals keinen Nerv, es wollte draufhauen, erobern, Machtphantasien ausleben und sich die Miniaturwelt untertan machen. Das in Sammlerkreisen gängige Adjektiv „bespielt“ klingt zu harmlos. Es müsste „komplett in Grund und Boden gerammt“ heißen. Und man vergaß auch, dem Kind mitzuteilen, die Objekte nach dem Spielen nicht in hohem Bogen in einen Karton zu schmeißen, auf den nicht optimal isolierten Speicher zu schleppen und sie dort jahrzehntelang zu vergessen – in offenen Kisten und den klimatischen Bedingungen ausgesetzt. Sommerhitze unterm Dach, Winterkälte, feuchte Schwüle. Lack platzt ab, durchsichtige Plastikteile erblinden und so weiter.
Wie gesagt, Sammler und Liebhaber sollten sich bei einigen dieser Fotos ihrer Tränen nicht schämen.
Immerhin, es gibt Erkenntnisse zu gewinnen. Generell war dies eine Ära der Inkorrektheiten. Kriegsspielzeug (natürlich, Mann!), Zirkus- und Zootiere mit Käfigen und Wärtern. Zirkusszenen-Nippes aus Plastik, der Elfenbeinschnitzereien imitierte. Viele der Matchbox-Autos von Anfang/Mitte Siebziger sind erstaunlich bizarre, realen Vorbildern nachgebildete Rennvehikel, mit denen damals vorbehaltlos und der Ölkrise zum Trotz dem PS-Kult gehuldigt und auf dicke Hose gemacht wurde. „Für die Rennfahrer von morgen“, hieß, glaube ich, einer der Werbeslogans. Die damaligen Rennfahrer von morgen bilden heute mit ihren biederen SUVs lange vierspurige Schlangen auf dem Kölner Autobahnring und stieren sinnentleert die Leitplanke an. Ich hätte mir damals mehr authentische Straßenfahrzeuge schenken lassen sollen, um den Alltag der Epoche besser abzubilden – aber wen interessierte schon der Alltag? Dicke Hose, Mann! Mich meinten die mit „Rennfahrer von morgen“!
Die allererste Edition der Krieg der Sterne-Männchen, wie sie ab Ende 1977 von George Lucas in die deutschen Spielwarenläden geschaufelt wurde, ist allen Ernstes komplett. Klar, einzelne Figuren haben Accessoires eingebüßt und sind beschädigt, aber die Serie an sich ist vollständig, inklusive der beiden (fatalerweise selbstbemalten) Raumschiffmodelle in 1:32. Einige Jahre später war der Rausch allerdings wieder vorbei: Von den Das Imperium schlägt zurück-Männchen, die eine deutlich höhere Qualität und Detailfreude aufwiesen, existieren nur zwei, und die habe nicht ich erstanden, sondern der kleine Bruder.
Eine Fehllackierung des „Dodge Wreck Truck“ von Matchbox (1965) bringt heute auf Auktionen übrigens 3000 £, aber ich besitze nur die herkömmliche Version für 1,90 € (eBay), und die auch noch völlig ramponiert. Typisch.