Sonntag, 19. Februar 2012

Sepulkralkultur

Heute Nacht träumte mir, sie hätten unseren lauschigen Dorffriedhof in einen Designer-Friedhof verwandelt.
Nicht mehr wiederzuerkennen. Am Eingang erstmal ein Ticket-Automat, dann eine Drehschranke. Dahinter überall monströse Mustergräber mit schmiedeeisernem Skulpturgedöns drauf, teilweise fünfzehn Meter hoch und von Elektromotoren betrieben. Stelen mit eingebauten Touchscreens, mittels derer man das Leben des jeweils Verblichenen als Action-Videoclip abrufen konnte. Inklusive Explosionen und vorgeschalteter Werbung von Versicherungsgesellschaften. Oder per Solarenergie beleuchtete Glaskästen mit ausgestellten Gegenständen aus dem Leben des Verstorbenen: Rasierapparat, Brieftasche, Impfpass, Parteibuch, das letzte Kleingeld. Auf einem Grab fuhr eine Porsche-Replik auf verborgenen Schienen hin und her: das Mustergrab für den Autofetischisten. Gesponsort von Autohaus Hackemüller. Urnengräber, aus denen beim Vorbeigehen (Lichtschranke) mittels pneumatischer Effekte die Asche herausgeschleudert wurde wie Konfetti. Laubengänge aus Edelstahlgebüsch, Windräder aus Verbundstoffen. Biomüll-Entsorgungsstation in Gestalt eines Jugendstil-Engels aus Presspappe. 
Eine Reisegruppe aus der Stadt (bäh!) hatte sich eingefunden und bevölkerte den Friedhof. Sie sagten unentwegt „Aha, schön-schön, interessant“ und drückten auf alle verfügbaren Knöpfe und setzten alle möglichen Mechanismen in Gang. Nachher wollten sie sich zu einem Kongress im Gemeindehaus versammeln: „Sepulkralkuktur und Aktienfonds. Wie mache ich aus Asche Geld“. Es waren mindestens fünf Busladungen voller Städter, und der Friedhof ist wirklich nicht sehr groß. 
Die Einheimischen fanden in dem Getümmel die Gräber ihrer Leute nicht wieder, bis irgendwer feststellte, dass sie gar nicht mehr da waren. Der Aktienfonds, der die Gemeinde gekauft hatte, war über Nacht mit Baggern angerückt, hatte alles ausgraben und planiert und die alten Grabsteine, das Erdreich, Knochen, Asche zur Verfüllung eines benachbarten Steinbruchs verwendet. 
Ich vermute mal, dieser Traum hat irgendetwas zu tun mit dem heranrückenden Aschermittwoch. „Bedenke, dass du Staub bist.“ So was kriegt man aus einem Katholiken nicht mehr heraus.