Donnerstag, 17. Oktober 2013

Yvonne

Hauswirtschaftsmeisterin und Sozialpädagogin Yvonne Willicks hat sich zu meinem TV-Superstar entwickelt. In meiner Funktion als Gelegenheits-Quasi-Hausmann ist das nur allzu verständlich. 
Ich hege heimliche Phantasien, in denen ich Yvonne Willicks mit einem Staubwedel durch eine völlig zugemüllte Wohnung jage, bis sie sich im Gemüsefach eines Großkühlschranks versteckt, in dem sich aber kein Gemüse, sondern – Schreck lass nach! – palettenweise Dosenbier befindet. Yvonne entsteigt sofort dem zweckentfremdeten Gemüsefach und beginnt damit, die Bierdosen aus- und Gemüse einzuräumen. Sie kann nicht anders. Was mir die Gelegenheit gibt, wieder mit dem Staubwedel auf sie loszugehen. 
Yvonne benötigte nicht lange, um sich in mehreren Etappen im Fernsehen auszubreiten, bis man an ihr und ihrer Haushalts-Ratgeberei kaum mehr vorbeikam. Sie trat auf als „Superhausfrau“, „Allestester“ und „Yvonne Willicks räumt auf“. Sie ist also der Sylvester Stallone des deutschen Küchenratgeber-Fernsehens. Zurzeit betätigt sie sich hauptsächlich im WDR auf der Vorabendschiene. Ich plädiere dringend für eine große Samstagabend-Show. „Staubwedeln mit Yvonne“ vielleicht, oder doch besser „Die Kühlschrank-Voyeure“. Yvonne erkennt dreißig B-Prominente anhand des Inhalts ihrer Kühlschränke und gibt danach Tipps zur Optimierung. Dazwischen Show-Acts von Pur bis Helene Fischer. 
Yvonne ist eine schlanke Frühvierzigerin, Typ Ilona Christen, eine robust auftretende Blondine mit federndem Gang, schaukelnder Mittellang-Frisur, Habichtnase und Wichtigtuerbrille, durch sie hindurch sie ihre Klienten – allesamt Haushaltschaoten – ermahnend anblickt, als seien sie unartige Kinder, um dann blitzschnell umzuschalten auf joviale Besserwisserin, die zwar permanent was zu maulen hat, diese Unart aber mit einer Fassade heiteren, kauleistenpräsentierenden und ruhrpottakzentuierten Laissez-faire abzumildern sucht. „Ihr wisst es eben nicht anders, ihr Schluffen. Lasst mich mal da ran! Nein, keine Widerrede! Lasst mich mal da ran!“ Sie weiß, dass sie Gefahr läuft, wie der Alptraum aller Muttertraumatisierten rüberzukommen, und steuert durch Kommunikation (= Geplapper) und neckischen Augenaufschlag gegen. Dennoch ist es ihr bisher noch nicht überzeugend gelungen, diese abschreckende Besserwisserei und Dauermotzerei konstruktiv umzudeuten in „Zuwendung“. In Yvonnes Sendungen geht es nun mal hauptsächlich um Yvonne und darum, was Yvonne so alles weiß und kann. 
Yvonne lebt in dem Glauben, dass das, was sie tut, wichtig ist, denn sie setzt sich ja für „uns“ ein, die Verbraucher. Ihr Lieblingswort ist „Verbrauchertäuschung!“, nur echt mit dem Ausrufezeichen. Insofern hat sie alles Recht der Welt, kritisch und empört zu tun, in irgendwelche Lebensmittelkonzernzentralen einzufallen, Verbraucher-Anti-Preise für die „Mogelpackung des Jahres“ zu vergeben und den Leuten da gehörig auf den Sack zu gehen. Hauptsächlich den Pförtnern, denn weiter kommt sie meistens nicht. Danach steht sie dann vor dem Gebäude, stampft mit dem Fuß auf und macht Telefonterror vom Handy aus. Manchmal testet sie auch Haushaltsmaschinen, kleckert sich voll und quiekt entsetzt, als sei sie menschlich-allzumenschlich und nicht bloß eine verkleidete Küchentyrannin. Neulich schickerte sie sich in einer Champagner-Testrunde an und machte dem Co-Moderator Avancen. Und das in ihrer eigenen Küche – die natürlich blitzblank gewienert war. Könnten ja Fernsehleute zu Besuch kommen. Manchmal okkupiert sie auch die Haushalte von Promis, meistens welche vom WDR, steigt auf einen Hocker und saugt in den Lebensmittelregalen den Endgegner weg: Mehlkäferlarven. Die Promis verabschieden sich stets freundlich, sind aber vermutlich froh, wenn der quasselnde blonde Fremdkörper endlich weg ist und sie wieder Herr über ihr eigenes Leben sind.