„David Cross – Ex-Member of King Crimson“, sagt der Aufkleber, den der deutsche Vertrieb SPV damals 1994 auf das Cover des Albums pappte. Nur um sicherzugehen. Immerhin war es zwanzig Jahre her, dass der Interpret auf den KC-Alben der ersten Siebzigerhälfte die Geige bedient hatte. Ich bedurfte des Aufklebers nicht, denn als Freund der verzerrten, alles niederwalzenden Rock-Violine wusste ich schon, wer David Cross ist. Ich erwartete dennoch nicht allzu viel, ein vermutlich etwas konturloses, esoterisches Gefiedel, dem die ordnende Hand eines begabten Komponisten und Arrangeurs fehlte. Cross war bei King Crimson ein Ungeheuer, aber die Stücke stammten ja meistens aus der Feder des genialischen Robert Fripp.
Testing to Destruction erwies sich als überraschend hochklassiges, vor allem aber als unerwartet robustes und vitales Fusion-Album. Zweifellos ahmen Cross und seine exzellente Begleitband die KC jener Phase nach, jedoch modernisieren sie sie und lassen sie geschmeidiger klingen, weniger akademisch. Nicht alles hier muss sich anhören wie Fingernägel, die über eine Tafel kratzen, während einem gleichzeitig ein antiker Titan mit einer Basaltsäule auf den Kopf schlägt. Aber der Titel darf durchaus ernst genommen werden, denn manches wird wirklich bis an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben. Hauptsächlich natürlich die Geige.
Das gewaltige Seefahrer-Epos „Calamity“ könnte sich anhören wie die Coverversion eines KC-Stücks, das es nie gab, würde da nicht mittendrin urplötzlich auf Schweinrock umgeschaltet und ab da heftig drauflos gescheppert, gedrückt und gequietscht, dass es eine Wonne ist. Sänger/Bassist John Dillon operiert auffällig im John-Wetton-Modus, Drummer Dan Maurer nimmt sich Bill Bruford zum Vorbild und schlägt eine wunderbar trockene Snare ohne den geringsten Hall, und Keyboarderin Sheila Maloney arbeitet Fripps Mellotron-Parts in warmherzige Synthesizer-Texturen um. Cross’ Violine ist so gewaltig und omnipräsent, dass man das Fehlen von Fripps Gitarre kaum registriert. Gitarrist Paul Clark versucht gar nicht erst, hier irgendwas zu kopieren, sondern hat eher Spaß am guten alten Hardrock.
„The Swing Arm Disconnects“ könnte man mit etwas gutem Willen als ein Ineinanderblenden und gleichzeitiges Aktualisieren von „Larks’ Tongues in Aspic/Part one“ und „The Talking Drum“ interpretieren – eine monströse Studie in Jazzrock-Violine und hochflexiblen Rhythmusmustern. „The Affable Mister G.“ und „Tripwire“ erweisen sich als Hard-Pop-Songs in der üblichen KC-Schieflage, wobei „Mister G.“ durchaus an Adrian Belew und die KC-Inkarnation der frühen 80er gemahnt.
Die Ethno-Parts von „Abo“ (Kürzel für „Aborigines“) geraten allerdings etwas zu erwartbar und geschmäcklerisch.
Testing for Destruction bleibt also in der Familie und ist für Sympathisanten von starkem Interesse. Wenn irgendwer der Auffassung sein sollte, die King Crimson zwischen 1973-75 hätten noch nicht alles gesagt, dann findet er die Fortsetzung bei David Cross.