Mittwoch, 10. Februar 2010

Brighter Than A Thousand Suns

Die 80er waren die Ära der Maxi-Singles. Extended Mix, Dancefloor Mix, Tralala-Mix, Blödmann-Mix. Bei KJ ging das schon mit Night Time los, verschärfte sich aber mit Brighter Than A Thousand Suns. Das Album an sich ist vielleicht gar nicht so sehr das Problem, als vielmehr die ständigen Mixe der gewinnträchtigsten Stücke, die allesamt mächtig auf Indie-Disco gebürstet waren und mit einigen funky Tongenieursideen sogar in den Popper-Tanzschuppen wildern wollten. Und dann diese steif technoiden, maschinellen, schnell alternden Pop-Rhythmen. Igitt. Mit den Ursprüngen dieser Band hatte das tatsächlich nicht mehr viel zu tun, und manche Argumente derjenigen, die die Phase um 1986 aus diesem Grund verachten, kann man verstehen. Das Album selbst jedoch bietet einfach einen neuen Zugang: Es ist kristalliner und komplexer, schwelgerischer und epischer als früher, im Grunde auch aufgeräumter. Es hat einige nicht unbedeutende Stücke von enormer Schönheit und mächtigem Groove aufzubieten („Adorations“, „Chessboards“) und mit „Rubicon“ einen Song, der zwischen Night Time und der früheren Phase zu oszillieren scheint – und mit seiner raueren Art beinahe nicht auf dieses Album passt. „A Southern Sky“ ist schlichtweg Pop-Idyll und kündet einfach mal l’art-pour-l’art-mäßig von der Schönheit karibischer oder mikronesischer Landschaften. Colemans Gesang hat sich zu Neo-New-Romantic herausgebildet und gerät nur auf „Rubicon“ leicht aus den Fugen. Die Porträtfotos der Bandmitglieder, die je eine Seite des Klappcovers einnehmen, zeigen keine Punk-Rotze mehr, sondern schwarzweiße Charakterköpfe mit ordentlichen Frisuren. Man kann davon ausgehen, dass die Körper darunter in durchaus stylishe Kleidung gewandet sind. Auf der Hülle findet sich jedoch auch ein Aleister-Crowley-Zitat, eine Art mikroskopisches Lehrdrama, welches das Universum als umfassenden Witz bezeichnet und die bemitleidet, die darüber nicht lachen können. Das drückt dem geschmeidigen Dark Wave ein philosophisches Programm auf, das gewisser interpretatorischer Anstrengungen bedarf. Diskurse über Revolution, Evolution, Zivilisation versus Stammesdenken. Betritt der Mensch erst die Bühne, oder macht er schon wieder den Abgang? Etwa mithilfe seiner Wissenschaft, die heller strahlt als tausend Sonnen?