Dienstag, 31. Mai 2011

Luxembourg

Luxembourg. Hauptstadt des schnuckeligen Großherzogtums. Lücksambuhr. Kannst dich auch den Eingeborenen und ihrer Universalsprache anschließen und Letzebuasch (oder so) sagen. Erster Anlaufpunkt: das Mudam (Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean). Neu, am Rand des vorgelagerten, ultraschicken Kirchbergs, von wo aus Europa verwaltet wird. Das Mudam ist von außen regelrecht unauffällig zwischen all diesen modernen Bauten und Plätzen und Boulevards, von innen aber richtig, richtig gut. Weit ausholend, hell wie nur was. Durchdringendes Wohlfühlgefühl. Ieoh Ming Pei, das ist der mit der Louvre-Pyramide. Gefällt mir um einiges besser als das Centre Pompidou in Metz. An ausgestellter Kunst (Sammlung) machen mich Wim Delvoye (die subversive "Kapelle") und Gabriel Lester besonders an. Lesters Installation lädt zum Verweilen ein: sich verändernde, wegkippende Schattenspiellandschaften. Excellent!
Das Mudam wurde auf Teile des Forts Thüngen (frühes 18. Jahrhundert) gesetzt, und das Areal ist Teil des "Vauban-Rundwegs" (Für die Banausen: Sébastian de Vauban war Festungsbaumeister Ludwigs XIV. und ging dieser Tätigkeit in nahezu manischer Besessenheit nach. "Befestigen, befestigen, ich muss Europa befestigen!"). Im Zuge neuer Baumaßnahmen haben die Luxemburger 1999-2006 das gesamte Gelände aufgewertet und die vorgelagerte Festungsarchitektur komplett restauriert. Könnte plastischer kaum sein. Es empfiehlt sich, dem Vauban-Weg durch die gewaltigen Festungsbauten und -gänge bis in die Stadt zu folgen. Ein großartiger Zugang. Im Zentrum parken kann jeder, den Weg von hier muss man sich jedoch erarbeiten. Zwischen Kirchberg-Plateau und der Luxemburger Oberstadt liegen nämlich noch die Unterstadtteile Pfaffenthal und Grund sowie der Fluss Alzette. Das bedeutet bergab und bergauf. Meines Wissens gibt es einen solchen Höhenunterschied innerhalb einer relativ übersichtlichen Stadt kaum irgendwo in Europa. Und in Luxemburg sind's an diesem Tag 31 Grad Celsius. Die Getränkevorräte sind bereits am Mudam aufgebraucht worden, und unterwegs gibt's keinen Kiosk. Nichts für Weicheier also. Hat man die Oberstadt jedoch einmal schnaufend betreten, kann man von den Klippen wortwörtlich zurückblicken auf das Geleistete. Dann geht es ruckzuck und man steht, zusammen mit knipsenden Chinesen, beim Großherzog vor der Tür, wo ein einzelner Gardist auf und ab paradiert. Einer von ungefähr 36 Soldaten des Großherzogtums. Extrem-Grillteller beim Mexikaner, Sonnenbrand geholt, Sprachengemisch zugehört, Schatten gesucht, drollige Kathedrale besichtigt, Gemahlin möchte ein Eis, Getränke en masse gekauft, zurückmarschiert. Riechen wie Iltisse. Füßchen massiert. Toller Tag. Schlafen wie Steine.

Montag, 30. Mai 2011

Flugausstellung

Ein Platz für Väter mit Söhnen. Gemahlinnen und Töchtern hingegen wird einiges an Tapferkeit abverlangt am Wallfahrtsort für den Flugzeug-Enthusiasten: Flugausstellung Hermeskeil. Eine der größten in Deutschland, vielleicht in Europa. Eröffnet 1973, seitdem stetig gewachsen. Der Familienbetrieb widmet sich allen Aspekten der motorisierten Fliegerei und sammelt weltweit ausgemusterte Flugzeuge zusammen, zivile wie militärische. Rotor-, Propeller- und Strahlantrieb. Derzeit über 100 Flugzeuge. Es gibt auch 1:1-Repliken der ganz alten Gebilde von Lilienthal, den Wrights, Bleriot. Haufenweise Turbinen und Motoren zum Betrachten. Schleudersitze, Piloten-Equipment, Cockpit-Ausstattungen. Drei hangargroße Hallen und beträchtliches Außengelände. Fotografieren und Antatschen erlaubt. Bei vielen Maschinen ist der Blick ins Cockpit möglich, begehbar sind auch welche. Das Museumscafe befindet sich traditionell in einer Concorde. Kaffee und Kuchen mit der Illusion, reiche Schnösel zu sein. Einschlafen lohnt nicht, Schatz, wir sind gleich in New York. Historisch wichtigstes Ausstellungsstück: die original Super Constellation, mit der Adenauer 1955 nach Moskau flog, wo er u.a. die Kriegsgefangenen freiverhandelte. Alles in gutem bis hervorragendem Zustand. Dies ist ausdrücklich kein Anlaufpunkt für irgendwelche Militaria-Freaks, verhinderte Kriegshelden oder Bewunderer der "glorreichen" deutschen Luftüberlegenheits-Vergangenheit, wohl aber für Freunde des gutgelaunten, pfeilschnellen Kampfjets in all seinen Ausprägungen. Von denen stehen hier nämlich mengenweise herum. Und sie sind wirklich GROSS. Unzählige MiGs und SUs und TUs sind seit dem Fall der Mauer zusätzlich zu den westlichen Maschinen auf den Parcours gehievt worden. Ich persönlich finde besonders solche westlichen Maschinen entzückend, die man selten sieht und die man hier bis zum Zustand der totalen Glückseligkeit aus allen Winkeln betrachten und tätscheln kann: Sepecat Jaguar, Saab Viggen und, als völlig unerwartete Neuanschaffung, eine Saab Draken. Eine Hawker Harrier, eine ganze Latte Phantoms und Starfighter und Mirages. Eine Super Mystere, eine von der Decke hängende, riesenhafte Super Sabre, eine echte Delta Dagger, eine prächtige BAC Lightning (Foto), mehrere Hawker Hunter und und und. Ein hyperventilierender Reitersmann. (Die Gemahlin macht sich Sorgen und ruft übers Areal: "Ist ein Arzt anwesend?")
Die zivile Seite ist ebenso spaßig. Eine Ju-52 darf nicht fehlen. Allerlei DeHavillands, riesige Illjuschins. Obszön gerät der russische MIL-Transporthubschrauber, den man aus 100 Metern Entfernung fotografieren muss, um ihn ganz in die Kamera zu bekommen. Treibstoffverbrauch beim Überführungsflug aus dem Ural bis hierher: 90.000 Liter.
Dieser Ort ist toll.
Danach noch zum zehn Autominuten entfernten, nicht ganz so tollen Ort: das KZ (SS-Sonderlager) Hinzert-Pölert, dessen traditionelles Mahnmal 2005 um ein hochmodernes Dokumentationszentrum mitten auf der Wiese erweitert wurde. Damals war selbst das landschaftliche Idyll Horror. Gute Idee: das Panoramafenster, das eine Nachbildung des längst verschwundenen Arbeitslagers wieder in die Landschaft zu pflanzen scheint.
Des Abends lecker Fresschen im Dorflokal, anschließend auf den Spielplatzschaukeln dem Sonnenuntergang ins Antlitz blicken. Geschlafen wie ein Fels.

Sonntag, 29. Mai 2011

Teufelsschlucht

Die Legende sagt, die Teufelsschlucht sei von ihrem Namensgeber mit der Axt in die Landschaft gehauen worden. Die Wissenschaftler meinen, sie verdanke ihre Existenz einem Felssturz vor 10.000 Jahren. Ich persönlich halte die erste Version für weitaus schlüssiger. Der Weg zu der langen, arschkalten, klaustrophobischen Felspassage am Rand des weltberühmten Ferschweiler Plateaus führt an endlosen Kalksteinklippen entlang, die früher, zu Zeiten meines Großvaters, mal Meeresboden waren. Vorbei geht's auch am Thron des Gewürztrollkönigs, der aber verduftet ist. Zwischendurch Päuschen. Fünf Minuten auf einer Felsplatte. Nicht reden, nicht schnaufen, nicht bewegen und nur auf das hören, was der Wald einem zu sagen hat: rausch, knarz, fiep, pöööp, raschel, summ. Ach so. Direkt am Eingang der Schlucht wurden übrigens einige Szenen der Verfilmung von "Der Brief für den König" gedreht. Man erkennt es im Film sofort wieder.
Von den Irreler Wasserfällen (de facto: Irreler Stromschnellen) bis zum Besucherzentrum Teufelsschlucht sind es nur zweieinhalb Kilometer, aber sie sind beschwerlich. Außerdem muss man ja auch wieder zurück. Über Stock und Stein und Felsstufen und mit veritablem Höhenunterschied. Setze deine Schritte mit Bedacht, o Wanderer, oder du landest unten in den Brombeeren und wirst erst nach der nächsten Eiszeit gefunden und in klimatisierten Museumsräumen als "die Brombeermumie" ausgestellt. Das Besucherzentrum, das man nach dem Durchsteigen von des Teufels Spalte erreicht, wurde neu aufgezogen und familiengerechter gemacht. Eintritt frei. Sympathisches kleines Regionalmuseum ist mit drin. Alter Hippie, eventuell auch Grünen-Abgeordneter aus Düsseldorf, schnorrt eine Zigarette von mir und lässt sich die Schadstoffwerte von der Packung referieren. Nach dem Verzehr von zwei Portionen "Teufelshörnern" (Bockwurscht mit Kartoffelsalat) und Großgetränk zurück in den Kalkstein. Die Gemahlin entdeckt dabei ein Raubvogelnest. Ganz oben in der Klippe. Es macht auffällig laut "öök-öök" von oben, und tatsächlich: Da sitzt ein junges Hakenschnabelviech, plustert rum, reinigt das Gefieder, spreizt die Schwingen und verkündet der Welt: "Ööök-ööök ... ööök." Wir halten inne und rufen zurück: "Ööök-öök. Ööök." Der Junghabicht glotzt runter und ist verblüfft: Herrje, sie sprechen meine Sprache! Wir warten ein Weilchen, ob vielleicht Mama Habicht mit einer schmackhaften Maus oder einem Touristendackel angeflattert kommt. Uns wird dann aber klar, dass wir hier ein Störfaktor sind und Mama nicht kommt, solange wir blöd unter ihrem Halbwüchsigen herumlungern. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, die Klippe zu erklettern, um den Kleinen zu tätscheln, aber es sind zwanzig senkrechte Meter und ich bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste.
Zurück auf dem Parkplatz vor Erschöpfung Kreise und Sternchen vor den Augen und das Bewusstsein der Existenz von Beinmuskulatur. Nachts schon wieder geschlafen wie ein Stein.

Samstag, 28. Mai 2011

Metz

Obwohl es nur 100 Kilometer von der alten Heimat entfernt liegt, war ich nie zuvor in Metz. Beschämend, klar. Ich hatte das vage Vorurteil einer wegen der notorischen Grenzlage und wechselnder Oberhoheiten irgendwie unentschlossenen Stadt. Ein schnarchiges Provinznest am Rand von allem, das sich zwischen französischer und deutscher Vergangenheit nicht so recht entscheiden kann. Fehleinschätzung. Metz ist trotz sehr übersichtlicher Fahrtzeit komplett Ausland. France totalement. Der leicht abblätternde, rustikale Charme verwinkelter französischer Altstädte. Eng, hoch, schattig und dann plötzlich total breit und offen. Plätschernde Brunnen überall. Große, rätselhafte Bauwerke, wie ein Mix aus Zitadelle und absolutistischem Knast. Vermutlich irgendwas von Vauban. Tauchen die Gässchen drumrum ganztägig in absolutistischen Schatten. Bloßliegende Strom- und Telefonanschlüsse über den Hauseingängen, kaum wärmedämmende Fenster. Dafür überall Blumen. Herumschlurfende französische Rentner mit Baguette, Mops und farblich unsinnigen Regenmänteln. Patisserien mit bunt-klebrigen süßen Kunstwerken in winzigen Puppenstuben-Schaufenstern. Dauernd was zu gucken. Ziemlich lebhaft, zumindest freitags. Kein Auto ohne Beule. Beeindruckende Kathedrale mit mystischen Lichtverhältnissen und Chagall-Fenstern. Beste Stelle: Place Saint-Luis, 13e - 15e siècles. Hochgebautes, langgestrecktes Mittelalter mit vorspringenden Arkaden und klitzekleinen Ladengeschäften. Kültür pür. Mitten drauf das charmanteste Karussell der Welt mit Jules-Verne-Thematik; die Gattin war begeistert und hat sofort die Nautilus fotografiert. Unser Hauptziel war aber eigentlich die brandneue Filiale des Centre Pompidou. Architektonisches Meisterwerk des Japaners Shigeru Ban, hat aus bestimmten Perspektiven allerdings den Charakter von drei überdimensionierten Schuhschachteln mit Champignon-Hut obendrauf. Innendrin Spiel mit Materialien und jede Menge offene Ausblicke in Richtung Dacharchitektur. Très hübsch. Fundamental: Galerie 2 sowie der große, leere Spiegelsaal in Galerie 3, an dessen Ende man auf das Stadtpanorama blickt. (Die Tiefgarage könnte auffälliger ausgeschildert sein, wenn es um die Schonung meiner Autofahrerpsyche geht. Merke: Nicht nach Wegweisern und Navi-Gerät gleichzeitig richten.) Sattgeguckt nach Hause gefahren und nächtens geschlafen wie ein Stein.

Dienstag, 24. Mai 2011

Zeichen

Alle behaupten, der Weltuntergang und die Entrückung der Gottgefälligen seien ausgefallen. Jetzt macht man sich überall lustig über den Prediger, der das propagiert hatte. Ich finde das etwas vorschnell.
In Deutschland grassiert eine Darmkrankheit, hauptsächlich im protestantischen (also ketzerischen) Norden. Und sie geht ausgerechnet von Gemüse aus, das sie uns seit Jahrtausenden als „gesund“ verkauft haben. Die Benzinpreise erreichen ein nicht für möglich gehaltenes Niveau, und es setzt landauf, landab ein garstig Heulen und Zähneklappern an. Die Verluste der CDU in Bremen und die geringe Wahlbeteiligung haben offenbar damit zu tun, dass dort viele bereits entrückt worden waren, bevor sie zur Urne schreiten konnten. Das müsste noch verifiziert werden. Am Samstag sprach die Katze laut und deutlich die Wörter „Rhododendron“ und „Adventskranzkerzenglanz“, und auf der seit Wochen offen daliegenden Käsescheibe im Kühlschrank hat sich ein Mel-Gibson-Antlitz gebildet. Und zu allem Unglück war heute Morgen im Supermarkt auch noch das Zwiebelbaguette alle.
Zudem schwöre ich Stein und Bein, dass ich am Samstag vom Balkon aus gesehen habe, wie der sauber gescheitelte Typ vom Nebenhaus sich während des Türaufschließens in die Luft erhob, an der Fassade emporschwebte und dann langsam gen Süden wegdriftete, dabei stetig an Höhe gewinnend. Er konnte wohl selbst nicht glauben, dass er zum engeren Entrückungskreis gehörte, und telefonierte während des Wegschwebens heftig gestikulierend mit dem Handy. Aus einem offenen Fenster zwei Häuser weiter erklang derweil christlicher Hip Hop.

Samstag, 21. Mai 2011

Es wird sein ein Sausen und Brausen

Bin heute etwas paranoid, lausche auf jedes Geräusch und registriere jede Erschütterung. Laut den Berechnungen eines amerikanischen Radiopredigers ist heute nämlich der Beginn des Weltuntergangs. Das genaue Datum ist der 21.10.2011 (ein Tag vor unserem Abi-Treffen, so’n Mist). Bis dahin müssen jedoch noch 200 Millionen Bibeltreue errettet bzw. entrückt werden. Der klägliche Rest wird derweil von Naturkatastrophen verschlungen, die exakt heute beginnen sollen. Nicht dass ich mir als Bibeltreuer da ernsthafte Sorgen machen müsste, aber ein bisschen Nervosität ist schon mit dabei. Bis jetzt hat sich allerdings noch nichts getan hier, außer dass der Vollidiot von oben mit einem Stapel Teller die Treppe runtergefallen ist. Aber es ist ja erst viertel nach zwölf.

Freitag, 20. Mai 2011

Exploitation

Ich finde, Mme. Lagarde, Favoritin auf den IWF-Chefsessel, sieht aus wie die Managerin eines vom Vatikan finanzierten Pariser Nobelbordells, in dem eine satanische Freimaurerloge blutjunge Novizinnen aus abgelegenen Pyrenäen-Klöstern quält und danach an albanische Drogenbarone und saudische Prinzen verhökert.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Luxusproblem

In der Zeitungsbeilage wird heute ein hipper Jungwicht für den Abi-Ball eingekleidet. In den Varianten „klassisch“, „ausgefallen“ und „lässig“. Eine Designerin nimmt sich dessen verantwortungsvoll an. Klassisch kostet komplett 620 €. Das wären damals, vor 25 Jahren, 1200 Mark gewesen. Inflationsbereinigt bestimmt immer noch 800 Mark. Dafür hätte mein Vater einen Drittelmonat arbeiten müssen. Für das bloße Outfit des Sohnes auf einem bescheuerten Abi-Ball. Ausgefallen kostet immerhin noch 520 € (1000 Mark), lässig 130 € (250 Mark). Wenn man bedenkt, dass da heutzutage auch noch eine Zeitungsanzeige, eine Weltreise, ein VW Golf (inklusive großflächiger Abi-2011-Aufkleber-Folie für die Heckscheibe) und Immobilienfonds-Anteile dazugehören, ist so etwas für Eltern ein ziemlicher Aderlass. Echt nicht zu beneiden.
Die Achtziger waren doch besser. Scheußliche Frisuren, klar, aber nicht so größenwahnsinnig.

Montag, 16. Mai 2011

Seid fruchtbar

Wir waren eingeladen zur Geburtstagsfeier. Außerdem galt es, den relativ frischen Nachwuchs des ausrichtenden Paares erstmals zu bestaunen. Eingeladen waren ebenfalls etwa 25 junge Familien. Jede der jungen Familien brachte es auf eine Stückzahl von 1-3 Kinder im Baby- oder Kleinkindalter. Wo man auch stand und ging, musste man achtgeben, nicht auf ein krabbelndes Geschöpf zu treten. Ihre Namen lauteten unter anderem Lilith, ein niedliches Mädchen (allerdings benannt nach der ersten Frau Adams und dämonischen Mutter aller Succubi), oder Pelle, ein freches Knäblein, das in späteren Jahren womöglich Probleme mit der Partnerinnenwahl haben wird, denn welche Frau will einen Mann heiraten, dessen Name klingt, als sei er etwas, in das Wurst gepresst wird, und nicht etwa ein Kerl?
Gegen Kinder ist naturgemäß nichts einzuwenden. Bekanntlich erging einst von höherer Stelle die Order an alles zwischen Blattlaus und Buckelwal: „Seid fruchtbar und mehret euch. Nutzt eure primären Geschlechtsorgane und besät meinen Acker.“ Die jungen Familien auf dieser Feier hielten sich daran, sie sind in jeder Hinsicht auf der richtigen Seite: biologisch, moralisch, weltanschaulich. Und sie hatten sich offenbar schon vor einiger Zeit untereinander abgesprochen, die zukünftige Bevölkerung eines ganzen Stadtviertels allein zu zeugen.
Mit dem Besäen ist es jedoch nicht getan, die Frucht muss gehegt und gepflegt werden. Was dann unablässig zu verbalen Hegemaßnahmen führt wie: „Nicht auf das Geländer klettern, Liliane!“, „Nein, Sven-Oliver, du pieselst nicht in den Teich!“, „Rose, hau dem Thure nicht immer mit der Schaufel auf den Kopf. Nimm wenigstens die aus Plastik und nicht die aus Metall“ oder auch: „Britta, pass bitte auf dein Brüderchen auf. Mama muss mal ah-ah“.
Es wird getan und gewickelt und gespielt, ein Odeur von Kacka weht übers Land. Väter laufen ganztägig der Festivität entrückt mit Babys auf dem Arm übers Areal und murmeln zärtlich-beruhigende Dinge. Mir kommen sie beinahe vor wie die „lebenden Bücher“ bei Bradbury, lediglich die Texte sind kindgerechter. Die Stoppuhr läuft mit, wenn es darum geht, wie lange der Knabe diesmal benötigt, sowohl die Tischdecke wie auch sich selbst, seine Eltern, seine Schwester und die Tischnachbarn komplett mit Schokolade zu überziehen. Hurra, das war Rekord! Karsten, hörst du? Das war Rekord! Karsten hört nicht, denn der Geräuschpegel der Feier degradiert Menschen zu Fischen: Mund auf, Mund zu, zu hören ist nichts außer einem sehr eigenartigen, hochfrequenten Blubbern. Der langhaarige Single-Typ ohne jeden Anhang kichert tief und kehlig, halbwegs fassungslos angesichts all der Kurzen. Hatte ihn wohl niemand drauf vorbereitet.
Aber nicht nur alles Tun und Werden, so hat man den Eindruck, ist dem Nachwuchs untergeordnet, auch die Gesprächsführung, wie sie während ruhigerer Momenten unter den Erwachsenen zustande kommt. Die Konversation wird ständig in die entsprechenden Bahnen gelenkt: der Nachwuchs und seine Befindlichkeiten. Im Idealfall geht es um die eigenen Befindlichkeiten im Spiegel der Befindlichkeiten des Nachwuchses. Die freudig erregt vorgetragene Diagnose eines Ich-Verlusts. Und derweil wird jedes unartikulierte Quieken aus dem Sandkasten von einer Menschentraube wohlwollend beklatscht. Das alles ist soweit keine bahnbrechend neue Erkenntnis, aber in dieser Konzentration bekommt man sie selten verabreicht.
Wir als kinderloses Paar sitzen etwas abseits auf der Bank in der Sonne und spötteln leicht über diese oder jene Hegemaßnahme, aber wir wissen zugleich: Es ist nur ein Aufbäumen gegen die letztgültige Erkenntnis, dass diese Menschen dem Befehl von oberster Stelle nachgekommen sind, dass sie auf der richtigen Seite sind, während es uns in etwa so ergehen wird wie Robert Neville im Roman von Matheson: Wir sind Legende. Wenn die Natur ruft, werden wir unsere ungenutzten Gene freiwillig unbetrauert in die Grube rollen und mit Mutter Erde wiedervereinen. Staub und Schatten: Unsere Spuren werden verwehen und zerfallen und absorbiert werden, während auf das Wohnviertel von Lilith und Pelle, Liliane und Sven-Oliver, Thure und Rose und ihren eigenen unartikuliert quiekenden Nachwuchs lieblich die Sonne scheint.
Ganz so schlimm war der Blues dann allerdings doch nicht. Sonst hätten wir gewiss den herrenlosen, barfüßigen Knaben mit nach Hause genommen, den der Hausmeister des Veranstaltungsorts neben unserer Bank abstellte, mit einem anklagenden Blick und der Bemerkung: „Der wollte gerade draußen über die Hauptverkehrsstraße laufen!“ Als Antwort lediglich ein entspanntes Schulterzucken: „Ist nicht unserer.“

Mittwoch, 11. Mai 2011

Homburger

Bisher war mir Birgit Homburger eigentlich ziemlich egal. Ein Egal mit gewisser Ablehnungstendenz natürlich, denn wer mag die schon? Wenn ich ihrer in der Glotze ansichtig wurde, sagte ich zu ihr: „Sei du mal froh, dass du überhaupt im Fernsehen bist. Du musst nicht auch noch den Mund aufmachen.“ Damit hatte es sich dann aber auch.
Heute Morgen jedoch las ich in der Zeitung, dass Birgit Homburger nur eineinhalb Jahre älter ist als ich. So ähnlich wie meine Cousine Monika, Nachbarsjunge Uwe oder Kamerad H. vom Bund, und nur ziemlich genau ein Jahr älter als Frau K. vom schönen Wupperstrande. Ich war völlig entsetzt: Birgit Homburger ist so alt wie wir! Die Frage, die mich seit heute Morgen beherrscht, lautet: Sehen wir womöglich alle so bescheuert aus? So mopsig und fassförmig, großzähnig, tantig frisiert, überspachtelt, haargefärbt und dröge öffentlich-dienstlich? Hat es uns bisher nur niemand gesagt, weil wir natürlich ständig von Vertretern unserer eigenen Generation umgeben sind und uns gegenseitig schonen? Sind DAS wir? Oder anders gefragt: Sind WIR das?

Dienstag, 10. Mai 2011

Freitag, 6. Mai 2011

Ist Herr Ente schwul?

Es wird zunehmend mysteriöser. Nachdem Herr Ente zuletzt allein auf den Garagen unterwegs und von Frau Gemahlin keine Spur mehr zu sehen war, glaubte ich nun meinen Augen nicht zu trauen. Da hocken in trauter Eintracht wieder zwei Stück Federvieh und schnarchen. Rührend. Allerdings: Es sind zwei Erpel. Was hat sich um Himmels willen da bloß zugetragen?
Möglichkeit eins: Es ist das Nachglühen nach der Sauftour zweier betrogener Mannsbilder, die von den Weibern die Schnäbel gestrichen voll und sich mal ausgetauscht haben. („Scheißweiber! Gehen jedem Arsch auf den Leim, der aus dem Wasser ragt!“)
Möglichkeit zwei: Frau Ente hat Herrn Ente verlassen, weil er sich als schwul erwies. Er kann nun seine Neigung ausleben und seinem langjährigen Liebhaber endlich in aller Öffentlichkeit am Hals knabbern.
Möglichkeit drei: Herr Ente hat erst nach der Trennung von Frau Ente seine homoerotische Seite entdeckt, was Manfred vom Nebenteich, der schon lange einen Blick auf Herrn Ente geworfen hatte, sofort ausnutzte.
Möglichkeit vier: Frau Ente war die letzten Tage unabkömmlich, weil sie in einer Privatklinik in Bad Oeynhausen eine Geschlechtsumwandlung hat machen lassen. Danach flog sie noch in die Entenlackiererei auf der Kö und ließ sich farblich umspritzen. Herr Ente war anfangs zweifellos irritiert, hat sie aber wiedererkannt.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ist Herr Ente wieder solo?

Mache mir ein bisschen Sorgen um Herrn Ente. Er kommt seit kurzem immer allein auf die Garagendächer. Ist Frau Gemahlin auf den Zweimeterfünfzig vom Park bis hierher etwas zugestoßen, oder handelt es sich um ein Beziehungsdrama?
Sie: „Hab den Schnabel voll von dir! Warum müssen wir uns immer so abkapseln von den anderen? Warum können wir nicht durch den Teich pflügen wie unsere Freunde, schnattern, Brot fressen, tauchen und den Arsch in den Himmel strecken? Immer auf diesen Garagen hier hocken und pennen! Mann! Ich hätte auf meine Mutter hören sollen. Die hat von Anfang an gesagt: Melanie, hat sie gesagt, pass auf, der Typ ist ein Autist!“
Er: „Zzzzz.“

Mittwoch, 4. Mai 2011

Spargelessen

Gerade gewachsener, praller Spargel mit einer schlüpfrigen Hollandaise und saftigem Schinken, anschmiegsamen Kartoffeln und feuchten Kürbisspalten. Dazu ein gieriges, großes Kölsch, das einem das Kinn runterläuft. Tinto Brass, übernehmen Sie!

Sonntag, 1. Mai 2011

Tektonik

Ich empfand diese Seligsprechungszeremonie in Rom als recht langwierig. Ging zwischenzeitlich Zigaretten holen, baute ein Regal um, frühstückte, räumte die Küche auf, erledigte einen Mordauftrag in Agadir, pflanzte einen Baum, entdeckte eine neue Galaxie und sah der tektonischen Platte beim Verschieben zu.