Sonntag, 29. Mai 2011

Teufelsschlucht

Die Legende sagt, die Teufelsschlucht sei von ihrem Namensgeber mit der Axt in die Landschaft gehauen worden. Die Wissenschaftler meinen, sie verdanke ihre Existenz einem Felssturz vor 10.000 Jahren. Ich persönlich halte die erste Version für weitaus schlüssiger. Der Weg zu der langen, arschkalten, klaustrophobischen Felspassage am Rand des weltberühmten Ferschweiler Plateaus führt an endlosen Kalksteinklippen entlang, die früher, zu Zeiten meines Großvaters, mal Meeresboden waren. Vorbei geht's auch am Thron des Gewürztrollkönigs, der aber verduftet ist. Zwischendurch Päuschen. Fünf Minuten auf einer Felsplatte. Nicht reden, nicht schnaufen, nicht bewegen und nur auf das hören, was der Wald einem zu sagen hat: rausch, knarz, fiep, pöööp, raschel, summ. Ach so. Direkt am Eingang der Schlucht wurden übrigens einige Szenen der Verfilmung von "Der Brief für den König" gedreht. Man erkennt es im Film sofort wieder.
Von den Irreler Wasserfällen (de facto: Irreler Stromschnellen) bis zum Besucherzentrum Teufelsschlucht sind es nur zweieinhalb Kilometer, aber sie sind beschwerlich. Außerdem muss man ja auch wieder zurück. Über Stock und Stein und Felsstufen und mit veritablem Höhenunterschied. Setze deine Schritte mit Bedacht, o Wanderer, oder du landest unten in den Brombeeren und wirst erst nach der nächsten Eiszeit gefunden und in klimatisierten Museumsräumen als "die Brombeermumie" ausgestellt. Das Besucherzentrum, das man nach dem Durchsteigen von des Teufels Spalte erreicht, wurde neu aufgezogen und familiengerechter gemacht. Eintritt frei. Sympathisches kleines Regionalmuseum ist mit drin. Alter Hippie, eventuell auch Grünen-Abgeordneter aus Düsseldorf, schnorrt eine Zigarette von mir und lässt sich die Schadstoffwerte von der Packung referieren. Nach dem Verzehr von zwei Portionen "Teufelshörnern" (Bockwurscht mit Kartoffelsalat) und Großgetränk zurück in den Kalkstein. Die Gemahlin entdeckt dabei ein Raubvogelnest. Ganz oben in der Klippe. Es macht auffällig laut "öök-öök" von oben, und tatsächlich: Da sitzt ein junges Hakenschnabelviech, plustert rum, reinigt das Gefieder, spreizt die Schwingen und verkündet der Welt: "Ööök-ööök ... ööök." Wir halten inne und rufen zurück: "Ööök-öök. Ööök." Der Junghabicht glotzt runter und ist verblüfft: Herrje, sie sprechen meine Sprache! Wir warten ein Weilchen, ob vielleicht Mama Habicht mit einer schmackhaften Maus oder einem Touristendackel angeflattert kommt. Uns wird dann aber klar, dass wir hier ein Störfaktor sind und Mama nicht kommt, solange wir blöd unter ihrem Halbwüchsigen herumlungern. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, die Klippe zu erklettern, um den Kleinen zu tätscheln, aber es sind zwanzig senkrechte Meter und ich bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste.
Zurück auf dem Parkplatz vor Erschöpfung Kreise und Sternchen vor den Augen und das Bewusstsein der Existenz von Beinmuskulatur. Nachts schon wieder geschlafen wie ein Stein.

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