Mittwoch, 30. Juli 2008

Entropy Tango

Diese Wohnung ist zu groß. Heute wegen Rabimmel zur Tür gerannt. Wir haben die erste Wohnungstür im Haus; gleich zur Haustür gehen bringt also mehr, als umständlich den elektrischen Haustüröffner zu betätigen. Als ich ankam, befand sich der Paketbote bereits wieder am unteren Absatz der Eingangstreppe und hatte die Benachrichtigungskarte schon abgeladen. Er gab mir das Paket dann doch noch.
Dabei hatte ich morgens schon so eine Ahnung, habe geheime Doping-Mittel (im Erprobungsstadium) eingeworfen, die Laufschuhe umgeschnürt, die Jogginghose angezogen, das Tight-Fit-Shirt, das eine gute Aerodynamik verleiht, und mich bereits um halb acht in Startstellung begeben. Als der Schuss dann krachte bzw. es rabimmelte, schoss ich mit sexy knirschenden Knochen und schmerzverzerrtem Gesicht aus der Hocke hoch, nahm zufriedenstellend schnell Fahrt auf, traf aber die Türöffnung zum Nebenzimmer nicht richtig und streifte die Wand, was mich straucheln ließ, von der Ideallinie wegkatapultierte und in den aufgeklappten Wäscheständer beförderte, der zusammenging wie ein Klappstuhl und mich sozusagen in sich aufnahm. Ich warf aus liegender Position mit Wäschestücken um mich, Frauen-Slips, Herren-Holzfällerhemden und meinem Batman-Kostüm, und versuchte meine Beine aus dem Gewirr der Stangen und Metallgelenke zu befreien. Es gelang mir nicht, jedoch stand ich bald wieder aufrecht, den Oberkörper bis runter zur Hüfte zwischen den Stangen des Wäscheständers verklemmt. Das erwies sich als Problem bei der nächsten Türöffnung, denn ich stand zwar aufrecht, der Ständer jedoch befand sich quasi im rechten Winkel zu meiner Körperhaltung, um nicht zu sagen horizontal. Er hinterließ Schrammen an der Wand, als ich erneut losrannte und mit ihm gegen die Ränder des Durchgangs knallte und zurückgeschleudert wurde auf den Schreibtisch der abwesenden Lebensgefährtin und von dort in die Pflanzen auf dem Fensterbrett. Zufälligerweise hat der junge Efeu, der dort steht, in den letzten Wochen einen enormen Wachstumsschub erlebt und wickelte sich mir um Kopf, Hals und Oberarme, als wollte er mir zeigen, wie lieb er mich hat. Während ich das zu regeln versuchte, lief mir die Katze zwischen die Beine, lachte mich aus, schrie „Clouseau! Clouseau!“ oder etwas, das ähnlich klang, und machte sich aus Spaß erst über die Schnürsenkel der Laufschuhe her, kletterte dann mit starkem Kralleneinsatz an meinem Bein hoch, um auf Höhe der Knie eingehakt nach der herabhängenden Kordel der Jogginghose zu angeln.
Als ich schließlich nach dem Durchwühlen mehrerer Schubladen den Wohnungstürschlüssel fand, aufschloss und mit Wäscheständer, Batman-Kostüm, Katze und Efeu vor dem Paketboten stand, erwies der sich als verständnisvoll. Er sei nur Aushilfe, sagte er, und studiere eigentlich an der Düsseldorfer Kunstakademie Performance Art. Er schlug als Titel meiner Installation „Entropy Tango“ vor. Ich klärte ihn darüber auf, dass es den Titel schon anderswo gibt, aber vielen Dank jedenfalls.

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