Freitag, 4. Juli 2008

Gerissene Strategie

Ich habe hier gerade eine Autorin, die ich an den Haaren fassen und mit dem Kopf gegen die Wand knallen möchte. Oder in den Allerwertesten treten. Meine dunkelsten, zittrigsten Phantasien kreisen gar um ein Erschießungskommando, das ich selbst befehlige.
Kann es sein, dass ich mich im Job emotional zu sehr engagiere?
Mag sein, aber ich fürchte, Gewalteinwirkung bringt nicht wirklich etwas, denn der Feind ist unsichtbar, dezentral organisiert und besteht sowieso nur aus Bits und Bytes.
Die Theorie ist nicht neu, die nämlich, dass es in Wirklichkeit immer weniger Schriftsteller gibt, vor allem in den USA, dafür aber immer smartere, vom Militär ausgetüftelte und von dort entflohene Künstliche Intelligenzen, die sich menschliche Pseudonyme geben und in Windeseile Textbausteine aneinander klammern. Die Elektronenhirne vernetzen sich zunehmend untereinander und übernehmen die Macht, Hinz und Kunz bleiben völlig ahnungslos und schlafen tief und fest, während ihr von fremden Mächten übernommener Radiowecker ihnen hypnotische Signale eingibt, was sie morgen in der Großbuchhandlung alles zu kaufen haben.
Eine KI prüft in Millisekunden zwei Millionen Bücher mit den höchsten Verkaufsrängen und streicht interessante Stellen an, eine weitere macht Cut-and-Paste, eine dritte verändert und vereinheitlicht die Namen, die nächste prüft großflächig auf Widersprüche. Die Kollegin lädt derweil eine Website hoch mit einer fingierten Autorinnenbiographie, bildmanipulierten Autorinnenfotos aus dem Phantombildgenerator sowie einem Blog. Die nächste KI betätigt sich als Rezensentin, gibt sich den Namen „Harriet Klausner“ und bespricht den ganzen Kram auf speziell dafür eingerichteten Plattformen immer nur positiv und mit voller Punktzahl. Und dann werden die Stapel an die kleinen proto-biologischen Leseroboter Hinz-73XC und Kunz-29OX ausgeliefert, die mit Hilfe unzähliger Trojaner und gekaperter Accounts bei Amazon.com fünf Sterne vergeben, Tag und Nacht.
Das Motiv für diese Unterwanderung? Ganz klar, Gutachter sollen in den Wahnsinn getrieben werden, damit es bald keine vorderste Frontlinie mehr gibt und die Menschheit komplett verdummt und bequem vom Planeten geschubst werden kann, bevor sie noch ein verständnisloses „Häh?“ zu äußern in der Lage ist.
Ausrottung durch Bücher, was für eine gerissene Strategie.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen