Montag, 1. März 2010

SWA (SST)

Da wir gerade dabei sind. Spektakulärer Fund: Das Originalvideo zu „Arroyo“ von SWA (1987). Toller Song, gehört ganz fest zum Soundtrack der Spätachtziger. Die Squaw an der Neurosen-Gitarre ist Sylvia Juncosa, damals ein heißer Saitenfeger und zudem eine Frau! Sie ist heute noch aktiv. Den Hauptdarsteller des Videos gibt der großartige Sänger Merrill Ward.
SWA waren eine signifikante SST-Band, als Nachfolgeband von Black Flag sogar die Hausband des Labels. Bassist und Gründer Chuck Dukowski war Miteigentümer der kleinen, chaotischen, immer bedeutsamer werdenden Firma, die die amerikanischen 80er mit definierte. Inzwischen sind SWA komplett vergessen oder bestenfalls eine Fußnote. Das ist schade, denn sie hatten einen postmodernen Zugang zur Materie, der ein pöbelndes Glam-Hardrocker-Image mit Intellekt und (Gegen-)Kultur verband und unter die dramatisch-poetischen Texte magische Botschaften mischte. Am Ende kam meistens etwas Ironisches heraus, das eventuell aber doch ernst gemeint sein könnte. SWA wurden damals angefeindet als „schlechteste Band des SST-Labels“, was ziemlicher Quatsch war, offenbar hauptsächlich ideologisch motiviert und heute nahezu unverständlich. Die Musik wurde damals als zu wenig progressiv (im Indie-Sinne) empfunden und zu sehr als retro. Zu langhaarig, zu sehr dem huldigend, was man Mitte der Achtziger überwunden glaubte. Tatsächlich hatte SWA starkes Interesse daran, großspurige Old-Rock-Elemente mit Alternative und Surfrock zu verbinden, auch Jazz war ihnen nicht unbekannt. Eine typisch kalifornische Band, sehr, sehr, SEHR hardrockig, auf ironische, fast provokante Weise maskulin und kraftmeierisch, mit pathetischer Intonation und theatralischem Glam, aber typisch rumpeliger Indie-Produktion. Die vier Alben Your Future If You Have One, Sex Doctor, XCIII und Winter zählen für mich zu den besten Platten im Spannungsfeld zwischen klassischem Rock und Punk/Hardcore überhaupt. Das letzte Album, Volume, musste ohne Hormonschleuder und Dichterfürst Merrill Ward auskommen und geriet tatsächlich ziemlich mistig. SWA waren Retro-Vorreiter und ritten ihrer Zeit weit voraus.
Es wundert wenig, dass Sänger/Texter Ward heute als Magier und Esoterik-Guru firmiert.