Montag, 16. Juni 2008

Brille

Hurra, nach acht Jahren endlich mal dazu gekommen, eine neue Brille zu ordern. Ein Wechsel von den ovalen Gläsern zu den abgerundet rechteckigen, die heute verbreitet sind. Ansonsten kein großer Unterschied beim Gestell, außer dass es 80 € billiger ist als das alte, und das bei der Inflation.
Ich gehöre offenbar zu der verhältnismäßig seltenen Sorte Mensch, deren schiefe Augen im Alter langsam besser werden, weswegen nach einigen Jahren die Werte nicht mehr stimmen. Der Optiker war etwas verwirrt, als er beim Sehtest bemerkte, dass die Werte der aktuellen Brille deutlich zu stark waren, vor allem die des rechten Auges. Im Jahr 2000 und bei der Anfertigung der (noch) aktuellen Brille war das auch schon so: Stirnrunzeln bei der Optikerin, eine Art ungläubiges Quieken, Gefummel am Sehtestgerät sowie die Feststellung: „O je, Ihre Augen sind besser geworden.“ Nun sind sie also noch besser geworden, so dass ich mir Hoffnungen machen kann, auf dem Totenbett wieder klar zu sehen.
Ich erinnere mich noch an die Optikerin von 2000. Sie zog eine breite Schleimspur. Ich hatte den Eindruck, sie wollte mich vom Fleck weg heiraten. „Mein Gott, sie haben so wunderschöne Augen! So viele Farben!“ Ich verzichtete darauf, sie auf Gaynor hinzuweisen, eine Figur aus Michael Moorcocks Zyklus vom Ewigen Helden, der auch aus vielen Farben besteht und trotzdem eine bösartige Kreatur des Chaos ist. Ich bot ihr lediglich an, ihr meine Augen dazulassen, damit sie sich in einem Glas Wasser auf den Nachtisch stellen konnte, um beim Aufwachen als Erstes etwas wirklich Tolles zu erblicken. Vielleicht war sie es auch, die mein Unterbewusstsein seither vom nächsten Optikerbesuch abhielt. Der Optiker diesmal war jedoch wunderbar: ein älterer Herr, der einsam in seinem Laden saß und ernsthaft verblüfft war, dass jemand reinkam. Meinen Wunsch „Will ne Brille“ verstand er sofort und machte kein Geschiss. Der Ablauf war dröge-professionell, aussuchen durfte ich ganz allein ohne vertiefende Stil-Beratung und ohne „Ach, die steht ihnen aber toll!“ oder „Meine Güte, die wertet Ihre wunderschönen Augen ja noch mal auf! Ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt möglich ist!“ oder „Diese blaue Applikation am Gestell korrespondiert auf kosmischer Ebene mit dem Seerosenteichgrün Ihres starken männlichen Blicks!“

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