Montag, 23. Juni 2008

Lob dem Objekt

Seit fast zehn Jahren hatte ich keine Probleme mehr mit ihm, aber jetzt ist er wieder da! Die Geißel der Menschheit, der Lebensqualitätsruinierer, der Terrorwicht.
Er, der Ohrschmalzpfropfen. Ich bin halbseitig taub wie ein Pfahl, Druck im Ohr, Pfeifen und Gluckern. Alle Menschen scheinen Fische zu sein. Mund auf, Mund zu, aber es kommt nix raus. Zumindest nichts, was ich hören könnte. Ich möchte mich am liebsten vor einen Zug werfen.
Es hat wenig mit mangelnder Hygiene zu tun, sondern mit erhöhter Ohrschmalzproduktion, bei einigen Betroffenen wohl auch mit verengten Gehörgängen. Früher ging ich alle zwei Jahre zum HNO-Arzt, der weichte ihn auf und zog ihn raus, den elenden Wicht. Inzwischen kriegt man in der Apotheke einige Mittelchen, die das Aufweichen übernehmen sollen. Diesmal will ich so ein Mittelchen probieren, zu dem es im Internet widersprüchliche Reaktionen zu lesen gibt.
Apothekerin sagt: „Bringt nix, das Zeug!“ Und wenn die das schon sagt, schließlich will sie ja meine Kohle …
Sag ich: „Ich nehm’s trotzdem mal mit, gute Frau.“
Überreicht wird mir ein Fläschchen mit Tropfen, die zehn Minuten im Ohr bleiben sollen, um den Pfropf aufzuweichen. Überreicht wird mir ebenfalls das lustige Gummiobjekt, eine Ohrenspritze, die man mittels Unterdruck mit lauwarmem Wasser füllt, um nach Ablauf der Wirkzeit mit einem beherzten Quetschen des Balgs den Gehörgang zu fluten. Gesagt, getan. Kopf schräg übers Waschbecken gehalten und FLUUUUUTTEEN. Schönes Gefühl, aber es tut sich nichts! Wasser spritzt raus. Nach wie vor taub wie ein Pfahl, jetzt sogar noch tauber, weil zusätzlich ein Hektoliter Wasser im Gehör verblieben ist und schwapptschwapptschwappt. Noch ein Versuch. Nichts. Seufzend das Internet aufblättern wegen Suchanfrage „HNO+köln+südstadt“, vorher aber noch schnell einen letzten Versuch mit der lustigen Spritze. Kabautz. Schwemm. Saus. Un-fass-bar! Freiheit, dein süßer Klang! Welt, bist du das, die da so lieblich zwitschert? Der Gehörgang ist auf einen Schlag so frei wie seit Jahren nicht mehr. Woran lag’s? Blöder Fehler: Man darf beim Fluten den Kopf nicht 90 Grad übers Waschbecken hängen, sondern muss ihn gerade halten. Andernfalls saust das Wasser nach oben, plätschert aus der Gummispritze wirkungslos gegen den Pfropf und läuft einfach ab. Bei gerader Kopfhaltung hingegen brettert der Strahl mit gehörig Druck durchs Gehör und sprengt es förmlich frei. Gepriesen sei die Ohrspritze. Vielleicht kann man sie auch mal verwenden, um die Katze durch die Bude zu jagen, oder sie dem Nachbarn ausleihen, wenn er nach Sex-Spielzeug fragt. Ich will sie aber wiederhaben, gewaschen.