Montag, 12. Mai 2008

Caroline


Caroline Munro weigerte sich aus moralischen Gründen, Nacktrollen zu spielen, und da war sie ganz konsequent und lehnte lukrative Angebote ab. Dafür hatte sie eine Vorliebe für Bikinis oder gönnte sich das tiefste Dekollete der damals bekannten Welt. Der Blick des Zuschauers wurde von schamlosen Filmproduzenten und Kameraleuten unentwegt genau auf diese Stelle (ach was, dieses riesige AREAL) vor der Hütte gelenkt. Eine dunkelhaarige Schöne aus Britannien, das war Caroline Munro, eine großartige Nebendarstellerin in bedeutenden Filmen und zuvor heiß umschwärmtes Spind-Model, nachdem eine landesweite Whiskey-Plakatwerbung sie bekannt gemacht hatte. 1970 trennte sie sich von ihrem Freund, dem Songwriter Colin Blunstone, der daraufhin die bittersüße Ballade "Caroline Goodbye" veröffentlichte. Zwischen den Zeilen liest man da heraus, dass Caroline wohl mehr auf Karriere stand als auf Colin. Ihren frühesten kleinen Filmauftritt findet man in der irren Erstverfilmung von Casino Royale (1967). Danach spielte sie, ebenfalls in den Credits nicht erwähnt, in zwei Filmen die verstorbene Frau des allseits beliebten Dr. Phibes. Keine Sprechrolle.
Mir fiel sie zum ersten Mal auf als lächelnde, angemessen knapp bekleidete Killer-Charge in Der Spion, der mich liebte (1977), wo sie Roger Moore mit dem Hubschrauber jagt, bis der sie mit einer Rakete aus seinem tauchenden Lotus Esprit aus der Luft pflückt. (Man sollte eben vorher nachdenken, für wen man arbeitet, und wenn der größenwahnsinnige Curd Jürgens einen anheuert, dann sollte einem schon klar sein, dass früher oder später die Konfrontation mit James Bond unausweichlich wird und man diese unmöglich überleben kann.) Caroline war in ihrem Bikini ein bisschen verrucht, aber wie alle Bond-Girls noch verhältnismäßig harmlos.
Etwas später, Freitagabends im ZDF, verliebte ich mich schließlich hemmungslos in sie aufgrund ihres leichtlebigen Auftritts in dem schon älteren Dracula jagt Mini-Mädchen (1973), wo sie als wildes Hippie-Girl auf dem Altar einer Kirche geopfert werden soll und ihr Dekollete wirklich sehr tief blicken lässt. Und wenn das Kunstblut aus dem Kelch über ihre Brüste schwappt, sich mit dem Angstschweiß vermischt ... Hui, das ließ einen untenrum schon irgendwie sanft erbeben. Und kurz darauf tritt Christopher Lee an sie heran und beißt sie. Diese Szene bzw. ein nachgestelltes Standbild wird gerne als typisiertes Dracula-Poster verkauft: Lee beißt zu, die von der Altarszene noch blutbeschmierte, vollbusige Caroline wirft in schmerzhaft-orgiastischer Pose den Kopf nach hinten und scheint einen poetischen Orgasmus zu erleben, der schon nicht mehr von dieser Welt ist. Selbstverständlich besitze ich dieses Poster, hänge es aber aus Rücksicht auf die Mitmenschen nicht auf. Ich habe mir den raren Film mal als VHS besorgt, inzwischen ist er als DVD längst überall verfügbar und nicht mehr rar.
Caroline absolvierte noch einige imponierende Bikini-Nebenauftritte in mittelordentlichen britischen Filmen wie Sindbads gefährliche Abenteuer (Caroline ist ein besonders reizender Naturalismus mitten unter staksenden Harryhausen-Monstern), Der sechste Kontinent oder Captain Kronos, Vampirjäger, letzterer an der Seite von Horst „Bastian“ Janson. Ein mehr als mittelordentlicher Film im Übrigen, aber schrecklich erfolglos damals in der Spätphase der Hammer Studios. Wird heute als britischer Vorläufer von Blade und Co. betrachtet. Dann lockte jemand Caroline mit schönen Versprechungen nach Italien und bot ihr Hauptrollen an. In den besten Filmen der Welt. Vor Star Crash – Sterne im Duell (1978) hat mich in der fünften Klasse bereits ein Mitschüler gewarnt – in der fünften Klasse! Ich ging trotzdem ins Kino. Ja, so was lief damals im Kino, denn es herrschte gerade Krieg der Sterne-Boom und alles mit Raumschiffen drin wurde verwertet. Sogar der Pseudo-Porno Flesh Gordon, der auf dem Planeten, na ja, Porno spielte. Star Crash ist keinesfalls Porno, nein, er ist einfach nur ungemein befremdlich. Der Regisseur heißt Luigi mit Vornamen, was an und für sich schon ein schlechtes Zeichen ist. Es gibt den Film als DVD, man sollte ihn sich gönnen. Die Handlung, Star Wars für Bewusstseinsminimalisten, ist unerheblich, man starrt ohnehin dauernd in Carolines von Leder umschlungenen Ausschnitt, bewundert in Ganzkörperaufnahmen ihre Figur und leckt sich in einem unbewussten Reflex die Lippen wund. Sie spielt die Weltraumagentin Stella Star – ein Name wie geschaffen für Trashisten -, und an ihrer Seite befindet sich neben einem Androiden ein talentierter Jungdarsteller, auf den noch Großes zukommen sollte. Den blondgelockten Sternenprinzen mit dem - ja! - Laserschwert spielt ein am kalifornischen Strand mit Drogen betäubter und in einer Kiste durch den Zoll nach Italien geschmuggelter Darsteller namens David Hasselhoff.
Neben ihm und Weltenretterin Caroline spielt hier auch der ehrenwerte Christopher Plummer mit und verkörpert den sonnigen Sternenkaiser. In Plummers Brieftasche befand sich damals ein so großes Loch, dass all seine Gagen immer durchrutschten, und da hatte er gegen eine Handvoll Lire nichts einzuwenden, die den Riss im Geldbeutel zu verstopfen halfen. Italienische Produzenten bezahlten seinerzeit grundsätzlich in bar.
Die Tricktechnik von Star Crash entspricht ungefähr Buck Rogers, allerdings nicht der 1979er-Neuauflage von Glen Larson, sondern den Serials aus den 30ern. Und in Star Crash wird mit Tricks nicht gekleckert, sondern geklotzt. Und das auch noch in Farbe. In viel zu viel Farbe. Noch ein Grund mehr, den Blick ausschließlich auf Caroline fixiert zu halten und alles drumherum zu ignorieren. Die Sterne in dem Film sind grün, rot, gelb, blau – Glühlampen aus dem Partykeller von Regisseur Luigi. Er und Caroline haben sie höchstpersönlich dort rausgeschraubt und in Kartons zu Requisiteur Ermano getragen, den alle nur „Il confidentale“ nannten. Ich hoffe, Luigi hat Caroline, als sie allein da unten im Partykeller waren, nicht unsittlich an die Brüste gefasst. Italiener sind da ja bekanntlich wenig zurückhaltend.
Caroline drehte noch ein paar weitere Filme, einen mit Luigi und noch einen mit seinem berühmten Kumpel Jess Franco, schipperte zwischenzeitlich auch mal nach Amerika und trat in noch mehr herausragenden Horrorfilmen und im Fernsehen auf. In dem berüchtigten Maniac (1980) von William Lustig übernahm sie eine größere Rolle. Der damals von der seriösen Kritik verteufelte Schlitzerfilm ist mit den Jahren zu einem harschen kleinen Low-Budget-Klassiker gereift, der totale urbane Trostlosigkeit ausstrahlen würde, wäre da nicht unsere entzückende Caroline. (Was sie allerdings an einem Narbengesicht wie Joe Spinell - übrigens schon der Bösewicht in Star Crash - findet, das entzieht sich unserer Kenntnis.) Zwischendurch hat Caroline sich auch mal als Pop-Diva versucht und Liedchen geträllert. Wollte aber kaum jemand hören.
Sie ist stolz auf ihre diversen Engagements, firmiert unter dem Titel "The First Lady of Fantasy", unterhält eine Website, besucht Filmfestivals und Conventions und taucht in irgendwelchen Horrorfilm-Dokus als sie selbst auf.
Ach was, ich werde jetzt doch mal dieses alte scharfe Dracula-Poster rauskramen und übers Bett hängen …