Mittwoch, 31. Dezember 2008

Ruhig und beschaulich

Das Jahr war offenbar geprägt von viel Filmgucken, der Verbreitung der mystischen Weltsicht, kleinen südstädtischen Erkundungen, ein paar Stündchen auf Autobahn und Landstraße, sentimentalen Rückschauen, halbgaren Zeitkommentaren und der Etablierung eines Weblog-Stammpublikums von circa einem halben Dutzend Unentwegter aus allen Kontinenten. Und von der Wiederaufnahme der alten Tradition des Kölschstangenvernichtens, diesmal mit dem filmverrückten Nachbarn. Sowie von intensivem Spacerock-Gelausche und –gespringe mit Kopfhörer. Vielleicht höre ich in 2009 ja mal was anderes, aber ich bezweifle es.
Nebenher wurde viel gearbeitet, auch wenn es nicht unbedingt so aussieht bei 30+ Blogeinträgen pro Monat. Tatsächlich war es objektiv das zweitbeste Jahr dieser kleinen, freischwebenden Funktionärslaufbahn hinter den Kulissen. Entdeckt wurde eigentlich nicht viel, es wurden eher etablierte Trends abgeritten und Fortsetzungen bearbeitet. Ich war, so wie es aussieht, angetan von den Büchern Nick DiCharios und von Stuart Nevilles Debüt-Thriller, fand Conrad Williams erwähnenswert, den neuen dicken Klops von Robert Charles Wilson, einiges von Walter Jon Williams. Ich bin ebenso gespannt, was die beiden hanseatischen Jungs einem dieses Jahr noch so alles an die Backe kleben. Sie haben einige Ideen am Köcheln und finden Zuspruch auf den höheren Etagen. Recht so.
Derweil warte ich immer noch darauf, dass jemand in Deutschland die Romane von Graham Joyce verlegt. Ich habe es mir mal zur Aufgabe gemacht, ihn zu propagieren, aber meine Macht ist sehr beschränkt, fürchte ich. Nicht mal ein ausgewiesener Frauenverlag wollte den ausgewiesenen Frauenroman The Limits of Enchantment, weil irgendeine frühere Gutachterin ihn für „zu anspruchsvoll“ hielt. Tss, tss. Stattdessen Vampirschlampen noch und nöcher. Denke sich jeder seinen Teil dabei.
Bei einer Redaktion steht statt meines Namens ein Pseudonym im Impressum, erstmals. Der Name hört sich an wie ein notgeiler Ex-Wrestler, der sich zum Porno-Casting vorstellt. Sowohl Autorin wie auch Übersetzerin traten mit erfundenen Namen an, also auch der Redakteur.
Privatlektüre gab es dieses Jahr praktisch keine, der professionelle Überhang ins nächste Jahr ist immer noch einen Meter hoch, vom Boden gemessen.

Dienstag, 30. Dezember 2008

Dentistin

Heute Nacht befand ich mich im Gewahrsam einer äußerst attraktiven blonden Zahnärztin mit verschmiertem Lippenstift, die unter ihrem weißen Kittel absolut nichts trug und auch ansonsten in einer völlig leeren Praxis praktizierte. Keine Apparate, kein Folterstuhl, keine Patienten, keine Sprechstundenhilfen. Sie berichtete, sie hätte ihr ganzes Equipment und Personal an einen jungen Kollegen in Deutz verkauft, nachdem sie ein Seminar des oberitalienischen Motivationstrainers und Esoterik-Gurus Prof. h.c. Nonscalpelli besucht habe. Seitdem praktiziere sie nur noch ohne Instrumente. Der Professor hätte einen eigenartigen Akzent, und sie sei sich nicht sicher, ob sie während des Seminars in Padua alles richtig verstanden habe, aber der Erfolg gäbe ihr schließlich Recht. Sie breitete lächelnd die Arme in einer Geste aus, die die gesamte Praxis einschloss, aber niemand außer mir war da. Ich war gespannt auf die Behandlung, aber es kam nicht mehr dazu, weil ich vorher aufwachte.
Ich vermute, der Traum geht zurück auf das Anschauen der Dark Knight-DVD und die Szene, in der der Joker als blonde Krankenschwester auftritt, sowie auf einen geplanten Wechsel der Krankenkasse nächstes Jahr.

Sonntag, 21. Dezember 2008

Angriff von hinten

Auf dem Land reicht der Blick bekanntermaßen weiter als in der Stadt.
Ich habe noch nie so lange einem Hund dabei zugesehen, wie er mich aufs Korn nahm und in einem Mordstempo auf mich losspurtete. Es waren mehr als zweihundertfünfzig Meter. Ich hätte mich während dieser Zeit ins Gebüsch schlagen, einen Ast abbrechen, ihn mit dem Taschenmesser anspitzen und einige hübsche keltische Kringelornamente reinschnitzen können, um mich dem heranhechtenden Monstrum damit in den Weg zu werfen. Stattdessen stand ich einfach da und schaute dem sich nahenden Unheil zu. Ich hatte zuvor einen gellenden Pfiff gehört, irgendwo von weit hinten, mich in der menschenleeren Landschaft herumgedreht und weiterhin keinen Menschen gesehen. Nur diesen hellbraunen Fleck, der sich schnell auf mich zu bewegte und sich so langsam als junger Retriever-Mischling mit angelegten Ohren und herausschlackernder Zunge erwies. Sein Vektor war ganz eindeutig: Kollisionskurs. Nun sah ich auch ganz weit hinten zwei vage menschliche Gestalten um die Kehre biegen – Herrchen und Frauchen vermutlich. Wieder erschallte ein Pfiff. Interessierte die Hundekreatur jedoch nicht. Sie bretterte über die Äcker, das Erdreich spritzte hoch, die Zunge hing bis zum Boden. Die Kreatur wurde größer und größer, ich konnte ihre Zähne sehen, ihre zusammengekniffenen Augen, ihr erwartungsfrohes Hecheln hören, ich bildete mir ein, ihren Atem bereits riechen zu können.
Ich verkrampfte mich in Abwehrhaltung, für Deckung war es jetzt zu spät. Wirft man sich bei solchen Gelegenheiten hin, mit dem Kopf im Nacken und bloßer Kehle? Hockt man sich hin wie in einem Gewitter und erstarrt? Bleibt man stehen und brüllt herrisch irgendwas? Mir brach der Schweiß aus, die Knie begannen zu zittern, ich hob die Arme vor den Oberkörper, wie man es in Filmen über Polizeihundetraining sieht, bedankte mich bei meinem Schöpfer für den bis jetzt recht angenehmen Tag, und dann …
Das Wesen war heran, schneller als eine Windböe, bremste aus vollem Lauf vor mir ab und schlitterte ein Stück weiter, offenbar überrascht von den physikalischen Gegebenheiten auf Planet Erde. Ich senkte unbewusst einen Arm, und der Hund warf sich hechelnd herum, fixierte gierig die beschwichtigende Hand und leckte genau einmal schnaubend über meine Finger. Dann rannte er dreimal schwanzwedelnd um mich herum und bretterte mit hoher Beschleunigungsrate und angelegten Ohren in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, zu Herrchen und Frauchen, die in weiter Entfernung mit der Hundeleine winkten.
Also, so weit und so kräftezehrend ist noch nie jemand gerannt, um mich zu begrüßen. Dabei kannten wir uns nicht mal.

Samstag, 20. Dezember 2008

Wenn Blödheit auf Blödheit trifft

Ich steige also ein ins Auto, nur um mal zu überprüfen, ob die Batterie noch da ist. Wochenlanger Auto-Nichtgebrauch, niedrige Temperatur und so weiter. Alles in Ordnung, Zündung funktioniert, alles leuchtet. Mehr muss ich nicht wissen.
Ich will schon wieder aussteigen, als mir auffällt, dass im Ablagefach zwischen den Sitzen die alten Parkzettel, das Fensterwischschwämmchen und die uralte Mini-Packung hitzegehärteter Gummibärchen durcheinander geworfen wurden. Mein Blick wandert langsam zum Handschuhfach, und das kognitive Zentrum im Kopf bemerkt, dass das Fach offensteht. Dann gleiten die Äuglein zur Mittelkonsole und registrieren dort ein Loch, das vorher irgendwie nicht da war. Befand sich dort nicht mal dieses blöde Autoradio? Ja, ich glaube, da war es mal. Ist es jetzt allerdings nicht mehr, nur ein Loch. Hmm, wie das?
Ein intensiverer Blick offenbart keine Schäden. Im Handschuhfach fehlt nichts, die Anwohner-Parkerlaubnis ist noch da, die Halterung des mobilen Navi auch, die Gummibärchen ebenso. Ein Marsch ums Auto zeigt ebenfalls keine Schäden. Nirgendwo Einbruchspuren, nicht der kleinste Kratzer, kein Hinweis. Keine beschädigten Schlösser, keine aufgestemmten Holmen, keine durchstochenen Dichtungen, erst recht keine zerschlagenen Scheiben. Lediglich die Beifahrertür ist unverriegelt. Es dämmert mir: Ich alternde, hirnlose Kreatur habe sie beim letzten Mal nicht abgesperrt, möglicherweise aufgrund eines Missverständnisses. Die Lebensgefährtin hat sie nach dem Aussteigen mittels des Arretierungsknöpfchens verriegelt, ich dachte jedoch, sie hätte das nicht getan, ging ums Auto herum und schloss sie per Schlüssel ab – wobei ich sie in Wirklichkeit wieder aufschloss. So stand der Wagen wochenlang da. Kann ein einzelner Mensch so blöde sein? Yes he can.
Der südstädtische Junkie ist also möglicherweise schon vor zwei Wochen im Schatten der Pauluskirche die parkenden Autoreihen abgewandert und hat an den Türgriffen probiert. Bis er einen Wagen fand, der offen war. Meinen.
Nun ja, dieses spezielle Autoradio hat heute einen Zeitwert von etwa fünf Euro. Wenn`s hochkommt. Dafür gibt’s beim Hehler keinen Goldenen Schuss. Nicht mal in den dunklen Ecken des Flohmarkts, wo die Ukrainer abhängen. Ich habe das Radio seit 2003, als ich es mit dem Gebrauchtwagen drumherum kaufte, genau zweimal benutzt. Einmal zum Verkehrsfunkhören in einem argen Stau, ein anderes Mal schloss ich einen tragbaren CD-Player von Aldi mittels einer Spezialcassette an, die den Output des Players übers Cassettenfach an die Lautsprecher gibt. Die Qualität war scheiße, ich tat es danach nie wieder. Wenn ich es doch mal kurz einschaltete und Sender fand, bekam ich es stets mit diesen grauenerregenden Radio-DJs zu tun, diesen Gute-Laune-Arschgeigen, dem Schrecklichsten also, was dieser Höllenplanet zu bieten hat. Ich schaltete umgehend ab und lauschte lieber den Motorgeräuschen. Die Dachantenne ist dauerhaft eingefahren, weil sie während der Fahrt über meinem Kopf im Wind immer schlackert und quietscht.
Damit wäre bereits festgestellt: Das Radio hatte keine CD-Funktion und auch keinen entsprechenden Schacht. Von MP3 und solchem neumodischen Kram ganz zu schweigen. Das Radio war scheiße. Ich weiß nicht mal, welche Marke es überhaupt war. Bei Polizei und Versicherung müsste ich sagen: "Ich glaube, es war schwarz, könnte aber auch hellgrau gewesen sein, vielleicht war es auch neongrün. Ach ja, es machte Geräusche, wenn man es einschaltete. Ich glaube, man nennt sowas Populärmusik. Hilft Ihnen das weiter?""
Der Dieb hat also das nutzloseste, toteste Objekt unter der Sonne gestohlen, musste es womöglich durch die halbe Stadt schleppen und bekam von seinem Hehler 50 Cent in die Hand gedrückt. "Wir in Ukraine hören MP3 in Auto, Kumpel! Hier, du dir kaufen Lolli, Blödsack!"

Ehrenbürger RIP

Im April hatte ich noch hingewiesen auf die neuerlangte Ehrenbürgerwürde von Herrn Pallien. Gestern trug man ihn zu Grabe. Viel Zulauf, denn der Mann hat in seiner bescheidenen, freundlichen Manier jahrzehntelang offizielle Positionen bekleidet. Da ich in der Gegend war, erwies ich ihm ebenfalls die letzte Ehre.
Er fiel letzten Sonntag auf dem Fußballplatz beim Zuschauen und mitten im Kommentar über eine Rote Karte einfach um. Mein Vater und mein Onkel standen direkt daneben. Seine Enkel spielten auf dem Platz. Ich meine, wenn der Kosmos sich schon so schockhaft verhält, dann ist ein sekundenschnelles Ableben unter seinesgleichen fast schon wieder eine Gnade.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Übersetzung / Oversitting

Einfach weil’s so schön ist:

In der Statistik fand ich einen nordirischen Blog-Zugriff auf den Text zu dem Neville-Roman (s.u.), der über Google-UK reinkam und Googles Übersetzungsfunktion nutzte. Das hier ist es, was der arme Kerl zu lesen bekam:

Last book for this year if it's after me. Coincidentally a really good. Stuart Neville, The Twelve ..
An ex-IRA killers and Knasti of the twelve ghosts of his victims can be prosecuted and they just get rid of, if he Tatbeteiligten each other last murder killing. But this unexpected settlement caused quite beautiful eddies in neugefundenen still unstable equilibrium of the Northern Irish peace process, and soon the hunt is on our penitents opened.
It's hard to believe that this is a debut to be. Realistic thriller with plenty of knowledgeable mediated background meets on "Crime and Punishment", on Old Testament revenge thoughts and late showers history, stirred with contemporary literature and complete disillusionment. Neither the IRA nor the British is also just a good hair left, and even the toughest chunk wimmernd begging for their lives if they are just a gun muzzle to the forehead holds. A human destruction machine, which is not only a series of corpses ausspuckt, but also twisted, traumatized characters. One wishes the heroes, an unscrupulous murderer, all the best on his way to salvation.
To all amateur authors: betimes times this novel study to find out how to get an agent or lecturer from the first set of pulls on his side and friends for life wins.
Northern Ireland author, U.S. title The Ghosts of Belfast. Appears in the summer of 2009 in the English speaking world. James Ellroy has also nassgemacht before happiness.

Mein Favorit ist der letzte Satz.
Ich schätze, wenn intelligente Maschinen demnächst die Weltherrschaft übernehmen und nach dem zu erwartenden Krieg die Kapitulationsbedingungen mit uns aushandeln, dann wird das ein ziemlich krauses Vertragswerk. Sofern sie es selbst übersetzen wollen und das nicht den Profis überlassen.

Montag, 15. Dezember 2008

"Zähneputzen nicht vergessen!"

Gerade wenn man an einem Tag 500 Seiten runterreißt und dann noch ein hochkonzentriertes Gutachten verzapft, verlangt man des Abends nach etwas, bei dem man nicht denken muss. Also schaltet man Die Patin auf RTL ein, den ersten Teil. Ein Fehler, denn das Anschauen dieses Krimis schleudert einen doch wieder zurück in den anstrengenden Tag und zu dem formidablen Thriller, den man da gelesen hat, und zwingt zum direkten Vergleich zweier Universen ohne jede Verbindung zueinander.
Hier haben wir ein Universum der realistischen, tragischen und doch pointiert überhöhten Verschlingungen, die den Helden ebenso zu strangulieren drohen wie den Leser. Etwas, in dessen besten Momenten einem der Atem stockt. Etwas mit Gewalt und Kraft und Zärtlichkeit und glasklarer Meinung.
Dort haben wir ein Universum, das von Veronica Ferres bewohnt wird.
Die gutsituierte Hausfrau und Mutter gerät in einen Spagat: Kinderbetreuung und zugleich Verbrecher alle machen. Häusliche Pflichten werden gestört von der mondänen Gangsterwelt. Mit Aufnahmen aus Südfrankreich, Paris und Moskau. Potzblitz. Yachten, Nobelzwirne, dicke Limousinen, Gangstervisagen, femmes fatales und Männer mit Waffen. Und das reichlich ironiefrei. „Zähneputzen nicht vergessen!“, heißt es derweil im Frankfurter Nobelviertel, oder: „Ich hol dich nachher von der Schule ab“. Als der BKA-Typ Frau Ferres anfangs als „pausenbrotschmierendes Heimchen“ bezeichnet, knallt sie ihm eine. Recht so, deutsche Mutter, lass dir von diesen Zynikern nix bieten!
Zwischendrin kommt es zur schlechtesten Action-Szene seit dem Niedergang der italienischen Film-Massenproduktion in den 80ern. Offenbar war gerade der Cutter krank. Und dann wären da noch seltsame Drehbuchsätze wie dieser: BKA-Assistent kommt morgens ins Büro, sieht seinen Chef, wie er sich rasiert, und fragt: „Boah, Alter, wann hattest du eigentlich das letzte Mal Sex?“ Ähm, irgendwie verstehe ich den Zusammenhang nicht. Rasieren Kommissare sich in TV-Krimis nicht ständig im Büro? Was ist also daran so besonders, und was hat es mit Sex zu tun? Ist auch egal, ist bloß ein Film. Ein schlechter zudem.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Zen-Garten

Die Geschenkidee eines Mini-Zen-Gartens für den Schreibtisch wurde übrigens verworfen, da es in unserem Haushalt jemanden gibt, der meditative Sitzungen auf streuähnlicher Unterlage bevorzugt und danach alle Beweise vergräbt. Danach sähe der Garten dann nicht mehr ganz so meditativ aus, und meditativ riechen würde er auch nicht unbedingt.

Freitag, 5. Dezember 2008

Vampirschlampen-Stechen

Seit drei Tagen wieder dieses blöde Stechen in der Schläfe, das sich vom Nacken her hocharbeitet und über Nacht nicht verschwindet. Es ist das sogenannte Vampirschlampen-Stechen: hochkonzentriert vor dem Laptop hocken und Vampirroman-Übersetzung optimieren. Tagelang, stundenlang, zwei Durchgänge, alles in derselben Position. Vielleicht ist es auch die Qualität des Romans, die Schmerzen verursacht.
Die gute Nachricht ist, dass der Bann nach dem einmaligen Einwurf zweier Kopfschmerztabletten milderer Dosierung bricht. Aber da ich der Pharmaindustrie bestenfalls Pfennigbeträge gönne, spiele ich gerne den Tapferen. Heute Morgen jedoch kapitulierte ich und stiefelte zur Apotheke: „Eine Packung gegen Vampirschlampen-Stechen bitte.“

Dienstag, 2. Dezember 2008

Schneekönigin

Ich finde, Sandra Borgmann hat derzeit das irritierendste Gesicht im deutschen Fernsehen. Kalt und glatt, wie eine in einem Gletscher eingeschlossene Porzellanpuppe, aber in den oberen Schichten doch so durchsichtig, dass man unablässig die Unterströmungen wahrnehmen kann. Wie eine junge Faye Dunaway, die vorzeitig in die Psycho-Mühle des Lebens geraten ist. Ich weiß selbst nicht so genau, ob ich das jetzt als Kompliment meine oder mich einfach nur bibbernd vor ihr ängstige. Tatsache ist, dass beim Zappen der Finger sofort über der Fernbedienung verharrt, wenn plötzlich dieses Gesicht im Senderflirren auftaucht. Ich bin dann einen Moment lang wie eingefroren und muss zwanghaft hinschauen, ehe ich die Decke etwas höher ziehe.
Gestern Abend spielte sie in dieser Anwaltsserie, die RTL nach einer Folge abgesetzt und dann die ARD gekauft hat, eine Mutter, die den Mörder ihrer Tochter erschießt. Ich musste unbedingt den DVD-Abend ein paar Minuten nach hinten verschieben und bis zum Ende gucken, um zu sehen, wie dieses Gesicht das Urteil aufnimmt. Das vom Drehbuch vorgesehene Urteil an sich war mir völlig egal, ich wollte nur die Regung sehen, die Frau Borgmann ihrer Figur verleiht.
Erstmals fiel sie mir auf in dem sehr unbehaglichen TV-Film Unter dem Eis (passender Titel), wo sie - quel surprise! – die Mutter eines ermordeten Mädchens spielte und den ganzen Film an der Grenze zum Zusammenbruch verbrachte und schließlich auch jenseits dieser Grenze. Sie hat auch wohl schon eine ganze Menge heiterer Figuren verkörpert und steht überhaupt ganz gut im Futter. Die Einschätzung als Psycho-Spezialistin ist vermutlich ungerecht und einseitig, aber ich schätze, man muss nicht alle diese Nebenrollen kennen. Ein einziger herausragender Bibber-Auftritt reicht, und sie hat einen mit einem schneeköniglichen Anti-Zapping-Bann belegt. Schlotter.

Montag, 1. Dezember 2008

Staatsmacht

O je, für nächste Woche hat sich die Staatsmacht bei uns angekündigt, in Gestalt des Mikrozensus. Es gilt heikle Fragen nach Geschlecht, Alter, Geburtsort und Anzahl der Zehen zu beantworten. Laut schriftlicher Belehrung sind wir zu Auskünften verpflichtet. Tatsächlich hängt das Schicksal des Staates von diesen Auskünften ab: Müssen mehr Frauen oder Männer importiert werden? Wo müssen mehr Seniorenheime gebaut werden und wo kann man sie abreißen? Wo müssen Kondomautomaten aufgestellt und wo welche abgebaut werden? Können Schuhe demnächst etwas materialsparender hergestellt werden, weil die Evolution den kleinen Zeh zunehmend verschwinden lässt?
Die Belehrung klärt uns auch darüber auf, dass in allen Räumen Kameras installiert werden und Bundestrojaner auf jeden PC. Zum Dank für unsere Zeit und unsere Durchschnittlichkeit erhalten wir orthopädische Schuheinlagen und gratis Schäuble-Buttons.

Samstag, 29. November 2008

Sie hieß Silke

Deluxe-Traum heute Nacht:
Ich bin irgendwo auf Wanderschaft und besichtige eine große, mysteriöse Kathedrale. Zu den anderen Besuchern gehört ein Trio junger Damen, Jura-Studentinnen im zweiten oder dritten Semester, die in ihren Jung-Staatsanwältinnen-Kostümen nahezu uniform aussehen. Als ich zufällig nahebei stehe, höre ich, wie sie Brünette sagt, sie hätte da diesen tollen Hecht namens Leonhard kennengelernt. Er sei Leiter der örtlichen Junge-Union-Gruppe, sähe aus wie Ronald Pofalla und gäbe einen guten Bräutigam ab. Von mir kommen in diesem Moment spontane Hust- und Brechgeräusche. Das Mädchen zuckt zusammen und wirbelt herum, sieht mich aber nicht, da ich mich offenbar gerade in einen Geist verwandelt habe. Ich streife weiter durch die Kathedrale und treffe die Brünette später allein an. Sie sieht mich jetzt deutlich, kommt schnurstracks auf mich zu und bezichtigt mich der ekligen Geräusche von eben. Was ich denn gegen die Junge Union hätte. Nichts, lüge ich, aber sie sei doch noch jung und warum es denn nicht ein flotter Zahnarzt oder knackiger Architekt sein könne statt ausgerechnet Ronald Pofalla. Sie schaut mich einen Moment lang sinnierend an und stellt sich als Silke vor.
Nun gibt es eine Art Schnitt. Ich trage Silke huckepack eine steile Landstraße hoch. Sie hat ihr Jung-Staatsanwältinnen-Kostüm gegen ein Sommerkleid eingetauscht, und es geht ein leichter Sommerregen auf uns nieder. An einem Aussichtspunkt mit überhängenden Ästen, die uns vor dem Regen schützen, setze ich sie ab. Sie verwandelt sich flugs in eine Katze, weicht ein paar Meter und rollt sich zu einem Schläfchen zusammen. Sie hält die Gestalt und auch den Abstand bei, als glaube sie, ich würde diese bislang gänzlich unerotische Angelegenheit nun doch in etwas Verfängliches verwandeln wollen. Der Platz wäre jedenfalls günstig. Danach steht mir derweil aber überhaupt nicht der Sinn; ich finde sie in ihrer Menschengestalt nicht mal besonders hübsch. Erinnert mich irgendwie an Renate Künast. Ich rauche eine und nehme schließlich, nachdem der Regen nachgelassen hat, die schlafende Katze auf und will sie zu sich nach Hause tragen, um sie dort auf die Fußmatte zu legen. Nach zwei Dutzend Metern wacht sie auf und verwandelt sich vor Schreck in einen Kolibri. Oh, das sei ja sehr nett, dass ich sie nach Hause bringen wolle, zwitschert sie, es sei aber nicht nötig. Sie würde jetzt einfach aufwachen, und dann sei der Traum vorbei. Daraufhin verwandelt sie sich in eine Seifenblase, in deren Innerem eine Art Abspann abläuft. Am Ende des Schriftbands steht zu lesen: „Silke kommt nächsten Samstag wieder“. Dann zerplatzt die Blase.
Ich starre auf meine leeren Hände und sinniere einen Moment darüber, ob etwas, das so offensichtlich ein Traum war, tatsächlich ein Traum gewesen sein kann. Und wache auf.
Meine Deutung dieser Ereignisse: In jeder Frau steckt ein liebliches Märchen, in absolut jeder. Vielleicht ist auch nur mein Rettersyndrom Amok gelaufen. Ich hoffe, Silke kommt nächsten Samstag nicht wieder, denn wie soll ich meiner Lebensgefährtin erklären, dass ich schon wieder diese blöde JU-Tussi einen Berg hochgeschleppt habe?

Donnerstag, 27. November 2008

Taler

Das Beste an der erweiterten Vorweihnachtszeit (also seit September) sind die goldenen Kauschokolade-Taler. Diese unidentifzierbaren runden braunen Dinger in goldfarbiger Alufolie mit eingestanzter Maria Theresia drauf, verpackt in einem Netz. Zäh, klebrig und mit entfernt schokoladigem Geschmack. Ich habe keine Ahnung, ob die dick machen, ungesund, genmanipuliert oder umweltschädlich sind - ich mampfe sie ununterbrochen. Werden irgendwo in Ungarn oder Griechenland zusammengepampt, vermutlich aus Schlachtabfällen, Klebstoffüberproduktionen und geschredderten Alt-Handys. Der Hausmüll draußen glitzert schon ganz golden von all den Taler-Aluhüllen.
Bei Ebay gibt's sie in 12-Kilo-Packungen, kein Scherz.

Mazda

Neulich belauscht am Straßenrand. Zwei Leute, Mann und Frau, offenbar Kollegen in der Mittagspause, nähern sich einem geparkten Auto.
Mann (kramt Schlüssel heraus): „Da ist meine alte Kiste.“
Frau (steht wartend auf der Beifahrerseite): „Ja, alte Kiste.“
Mann (steckt Schlüssel ins Türschloss): „Aber du - du kriegst ja bald ein neues.“
Frau (steht wartend auf der Beifahrerseite): „Ja, einen Mazda.“
Mann (schließt Tür auf und öffnet sie): „Einen Mazda?“
Frau (steht wartend auf der Beifahrerseite): „Ja, einen Mazda.“
Mann (setzt sich rein): „Dann hast du ja bald einen neuen Mazda!“
Frau (steht wartend auf der Beifahrerseite): „Ja, neuen Mazda.“
Der Mann entriegelt von innen die Beifahrertür, Frau öffnet und steigt ein. Bevor die Türen beide zuschlagen, hört man von innen:
Mann: „Einen roten Mazda?“
Frau: „Einen grünen Mazda.“

Montag, 24. November 2008

Kult in Japan

Als ich eben den Müll rausbrachte, ging gerade eine japanische Touristengruppe vorbei, und ich konfrontierte sie spontanexperimentell mit dem heute so oft vernommenen, wunderbaren Wort „Fahrstromstörung“.
Sie blieben abrupt stehen und starrten mich einen Moment lang nur an. Dann kicherten sie, zückten ihre Kameras und fotografierten mich. Einer bat mich, das Wort zu wiederholen, während er an seinem HiTech-Handy die Tonaufnahme aktivierte. Wenn also jemand demnächst in den Karaoke-Bars in Tokio oder Osaka kreischenden Einheimischen beiwohnt, wie sie das Wort „Fahrstromstörung“ nachzusprechen versuchen, das ein sonorer deutscher Bass aus dem Off ihnen vorgibt, dann geht das auf mein spontanes Engagement heute Abend zurück. Ich habe es irgendwie im Urin, dass das da drüben Kult wird, aber vermutlich werden weder ich noch die Kölner Verkehrsbetriebe auch nur einen Yen Tantiemen sehen.

Fahrstromstörung vor der Nacht mit Sergio

Ich darf voller Vorfreude verkünden, dass wir nun endlich die lange geplante Amerika-Nacht komplett zu Hause stehen haben:

Erstens (159 min.)
Zweitens (147 min.)
Drittens (220 min.)

Hat auch gar nicht lange gedauert, die im WOM zu kaufen.
Ich erstand auch noch zwei FSK18-Filme, und die Kassenkraft wollte mit einem ironischen Unterton wissen, ob ich denn auch schon 18 sei. Ich denke, die Frau wollte bloß ein bisschen kommunizieren, womöglich flirten. Ich sagte ihr, dass ich fünfeinhalb mal so alt sei wie die geforderte Altersgrenze, aber aufgrund eines genetischen Defekts, den es nur in unserem Dorf hinterm Wald gibt, deutlich jünger aussehe, und dass sie so alt gar nicht werden könne, wie ich es sei und mich auch fühle. Außerdem hätte diese scheinbare Jugendlichkeit auch zu tun mit dem langjährigen Verzehr sowohl von rohen Tannenzapfen wie auch von sechs Jahre im Waldboden vergrabenem Dachsfleisch. Da hatte sich das mit der Kommunikation oder dem Flirten relativ schnell erledigt.
Die Einkaufstour war heute allerdings mit einiger Laufarbeit im Regen verbunden, wegen "Fahrstromstörung" (man lasse dieses Wort mal auf einen japanischen Touristen los) und hundsmiserabler, widersprüchlicher Durchsagen der KVB. Macht nichts, die schweren Beine werden nun hochgelagert, ein paar Lebkuchen im Gesicht platziert und die Glotze mal langsam vorgewärmt, damit Sergio sich darin auch wohlfühlt.

Montag, 17. November 2008

Landpartie

Mal eben kurz aufs Dorf gefahren. Der unterhaltsamste Aspekt während der Fahrt war vor mir der Wagen der Firma „Dunkel – Licht und Design“. Der Rest war langweilig, außer als ich einmal kurz brutalstmöglich beschleunigt und an den Tacho-Anschlag gegangen bin, um die beiden Scheiß-LKWs vor der Ausfahrt noch zu erwischen. Ja, ich weiß, man soll nicht über LKWs fluchen, denn sie liefern all unsere tollen Waren an. Sie gehen mir trotzdem auf den Sack.
Über das Dorf fliegen ganztägig geometrisch korrekt ausgerichtete, schnatternde Keile. Pfeilspitzen. Langschenklige Dreiecke ohne Basis. Sie schnattern noch, nachdem sie schon längst über den Horizont verschwunden sind. Bewundernswert, diese Geometrie. So`ne Leitgans möchte ich allerdings nicht sein. Was machen die anderen wohl mit ihr, wenn sie aus Versehen in die falsche Richtung fliegt? Misstrauensvotum? Abwählen und durch Andrea Nahles ersetzen?
Sonst gibt`s nix Neues. Der Kneipenwirt hat für sein nagelneues Wohnmobil einen hübschen Carport gebaut. Sonst nix.

Sonntag, 16. November 2008

Außerirdische auf PRO7

Man sollte Uri Gellers Alien-Kontaktversuche auf PRO7 in einem Weblog eigentlich nicht unkommentiert lassen, aber ich habe es gar nicht gesehen und lieber König von Narnia geschaut.
Hätte ich die Sendung gesehen, würde ich vermutlich Folgendes fordern:
Die Leute im Publikum müssen sofort aus ihren Arbeitsverträgen gekündigt und ihnen soll umgehend das Wahlrecht entzogen werden. Außerdem soll das Finanzministerium vor der nächsten derartigen Sendung eine hohe Steuer für „fatale Blödheit und komplette Unmündigkeit“ einführen. Vor dem Einlass in die Halle soll zur Aufnahme von Personalien und Steuernummern des Publikums eine Eingreiftruppe von zweihundert Steuerinspektoren platziert werden. Mit den so erlangten Mitteln können karitative Verbände unterstützt werden, besser vielleicht noch die Schulen und Universitäten.
Für die Verantwortlichen dieser Sendung, diese Moderatorenghule, gescheiterten Jahrmarktsmesmeristen und Nekromanten, soll der Gesetzgeber den Tatbestand der „keckernden Unterwanderung der geistigen Volksgesundheit“ oder der „grinsenden Enthirnung des Volkskörpers“ einführen sowie eine Gesetzesnovelle zum „Verbot der Bildung einer blöden Vereinigung“ beraten. Außerdem ist es sicher angebracht, eine „Zurückdrängung des Bösen“ als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen und solche Sendungen von vornherein für verfassungswidrig zu erklären. Letzteres dauert in den Gremien vermutlich eine Zeitlang, aber beim nächsten Mal würde es schon helfen, wenn ein paar Exekutivorgane am Hintereingang der Halle bereitstehen, die verhindern, dass Herr Geller und Frau Hagen sofort nach der Sendung den Flieger nach L.A. besteigen und sich so der deutschen Rechtsprechung entziehen.
Den Radioastronomen aus der Ukraine, die sich für die Sendung zur Verfügung stellten, soll lebenslang der Wodka entzogen und der PRO7-Korrespondent vor Ort nach geltendem Recht von achtzig nackten, je fünf Zentner schweren Kosakenfrauen durch die Steppe bis in die Sümpfe gehetzt werden.
Na ja, ich hab’s ja nicht gesehen, vermute aber trotzdem, dass König von Narnia an diesem Abend das bessere Programm war.

Freitag, 14. November 2008

Traumdeutung, Teil 17

Folgender Traum heute Nacht:
Schriftliche Mathematik-Prüfung fürs Abitur. Alle haben eifrig gelernt, nur ich nicht. Und das, obwohl ich sowieso keinen blassen Schimmer von der Materie habe. Ein bisschen geht mir schon die Düse, denn jetzt wird’s ernst. Die Bögen mit den Aufgaben, die Lehrer Fuchs austeilt, sagen mir gar nichts. Nicht die leiseste Ahnung, was der Mann da von mir will. Seltsame Fragen wie „Wenn man aus zwölf Folgen Dallas alle Szenen mit Patrick Duffy herausschneidet, auf wie viel Laufzeit kommt die Staffel? Bitte leiten Sie dies mit Hilfe der heraklitischen Quantenfluktuationshyperbel her.“ Und das ist noch die einfachste Aufgabe.
Alles nicht so schlimm, weiß ich, denn neben mir sitzt glücklicherweise der junge Pierce Brosnan, und der hat das natürlich alles drauf. Ich schreibe einfach von ihm ab. Die Prüfung findet übrigens unter freiem Himmel statt, auf einer Wiese, und neben uns machen Mädchen aus dem 12. Schuljahr Gymnastik und schwitzen.
Der Fehler in diesem Traum wird mir gleich nach dem Aufwachen klar. Ich hatte Lehrer Fuchs nicht im Abitur, sondern nur in der Orientierungsstufe. Außerdem war der Kerl, von dem ich Mathematikaufgaben im Allgemeinen abgeschrieben habe, nicht Pierce Brosnan, sondern Sohn eines Postamtsrats. Aber das mit den schwitzenden Mädchen stimmt.

Mittwoch, 12. November 2008

Freitag, 7. November 2008

Reality-TV

Die einzige Trash-TV-Sendung, die wir halbwegs regelmäßig schauen, ist Frauentausch auf RTL2. Zwei Familien tauschen die Mütter.
Es ist einfach eine Idee von vollendeter Schäbigkeit, zwei Familien völlig unterschiedlicher Prägung inszeniert aufeinander zu hetzen. Besonders knackig wird es immer dann, wenn mindestens eine der Familien aus kompletten Dummbroten besteht, jedoch mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein gesegnet ist und sich für etwas Besonderes hält. Die eigenen Unzulänglichkeiten und Lebenslügen werden nicht als solche erkannt, sondern der Gegenseite angelastet, was dann zu heftigen ideologischen oder psychopathologischen Streitereien führt. Gestern traf zum Beispiel eine selbstversorgende Teilzeitbäuerin im Sackkleid auf eine Arschgeweih-Kellnerin, die sich für die beste Freundin Victoria Beckhams hielt. Dabei war sie auffällig pferdegesichtig und wird schon in zehn Jahren, mit Mitte dreißig, aussehen wie aus dem Tal der Könige ausgebüchst. Ihr Männe, ihr privater „Beckham“, war das Dümmste und Verstörendste, was seit langem im TV zu sehen war. Man kann irgendwie gar nicht glauben, dass es solche Gestalten wirklich gibt und dass Filmmaterial an sie verschwendet wird.
Letzte Woche traf ein echtes Prachtexemplar von aufgedunsener, schwitzig stammelnder Unterschicht auf eine freundliche lesbische Lebensgemeinschaft, gab anfangs vor, „absolut nichts“ gegen Gleichgeschlechtliche zu haben, legte diese Maske aber im Laufe der Sendung ab, und es endete mit: „Du Lesbensau!“.
Manchmal passiert aber auch Folgendes: Die verstörte, dominierte, unreife Hausfrau gerät in die Arme einer Piep-piep-piep-Kuschelfamilie und muss nach Ablauf der Zeit mit Gewalt zurückgeschleppt werden in ihren heimischen Kerker.
Das Bemerkenswerte an diesem Format: Es läuft und läuft und läuft. Staffel um Staffel um Staffel. Appelliert wird an die Eitelkeit der Dummbrote, an das Selbstbewusstsein der Knallköpfe, den exhibitionistischen Drang der Peinlichen, und sie melden sich unablässig freiwillig zu der Versuchsreihe, die skrupellose Zyniker professionell auf Konfrontation zusammenschneiden. Und die erschütternde Lehre aus dem Aufeinanderprallen lautet meistens: „Ich habe die beste Familie der Welt. Ich mache nichts falsch. Die anderen sind alles Arschlöcher.“
Für den Rest der Woche braucht man dann auch kein Reality-TV mehr.

Mittwoch, 5. November 2008

Obama!

Bis halb fünf habe ich in liegender Position der Wahlparty beigewohnt, dann fielen mir die Augen zu. Die Tränenreden hole ich heute nach. Im ARD-Wahlstudio war durch die Nacht etwas viel Kaffee, eventuell auch Alkohol im Spiel, weswegen einige Scherzchen einen bei Laune hielten. Im ZDF sprach Online-Experte Claus Kleber dauernd von "das Website", und im ZDF-Wahlstudio in Berlin wurden anwesende amerikanische Jugendliche und Obama-Erstwähler wie Helden gefeiert.
Ach, jetzt wird endlich alles gut.

Samstag, 1. November 2008

Traumdeuter, vortreten!

Folgender Traum heute:
Wir stehen in einem Supermarkt oder Elektromarkt in der Kassenschlange. Ist viel los, weil Weihnachtsgeschäft. Alle Leute in der Schlange sind Olli Dittrich in diversen Verkleidungen. Vor uns jedoch steht John McCain und will ein PC-Game für seinen Enkel bezahlen, runtergesetzt für 10 €. Der Verkäufer hat ein Problem mit der Ware, wendet sie hin und her und wirkt überfordert. Er kann sich McCain nicht mitteilen, weil er kein Englisch spricht. Er ruft eine Kollegin herbei, die aber auch kein Englisch spricht, ebenso wenig der Geschäftsführer, der angerauscht kommt. Das dauert alles ziemlich lange, und die ganzen Olli Dittrichs hinter uns werden ungeduldig. Ich erbarme mich, trete vor und übernehme den Dolmetscher.
Vorne auf der eingeschweißten CD befindet sich ein Aufkleber, der verkündet, dass das Ego-Shooter-Spiel drei Missionen enthält („Jetzt mit drei Missionen!“), allerdings bildet das Backcover ganz offensichtlich Screenshots von vier Missionen ab und weist auch stolz darauf hin („Jetzt vier Missionen!“). Der Verkäufer weiß nun nicht, ob er etwas so Widersprüchliches verkaufen darf, denn das riecht ja förmlich nach Reklamation. Wir, also John McCain, der Verkäufer und ich, einigen uns darauf, dass wohl eher der Angabe auf dem Backcover zu trauen ist und nicht dem nachträglich angebrachten Aufkleber. Nichtsdestotrotz: Wenn der Enkel eine Mission vermisst und sich beschwert, soll McCain mit der Ware wiederkommen, um sein Geld zurückzuerhalten.
McCain ist sehr höflich, reckt seinen seltsamen Arm vor, schüttelt dem Verkäufer, dem Geschäftsführer und mir nett die Hand und verlässt leicht gebückt den Markt.
Ich interpretiere das so: 1) Die Kunden bei Media Markt sind tatsächlich alle Olli Dittrich 2) John McCain wird die Wahl verlieren und nach Deutschland ins Exil gehen 3) Es wird langsam Zeit, dass Dittrich aus dem Werbeprogramm verschwindet und wieder was Vernünftiges macht 4) Es wird langsam Zeit, dass die da drüben überm Teich endlich wählen und wieder Ruhe einkehrt.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Winterzeit

So’ne Katze hat eine äußerst präzise Zeitschaltuhr. Punkt sechs sitzt sie auf dem umlaufenden Brett des Bettgestells, direkt neben meinem Kopf, und verkündet entschieden: „Hunger!“
Jetzt ist Winterzeit, also sitzt sie seit Sonntag um Punkt fünf neben meinem Kopf und verkündet entschieden: „Hunger!“
Schon klar, denkt Herrchen, rollt sich aus dem exzentrischen Traum und der Wärme, stolpert durch die dunkle Bude, kippt blind Katzenfutter (Sorte egal) in den Napf und schlurft dann halbnackisch auf den Balkon eine quarzen, während drumherum die Stadt noch ruht. Wenn Herrchen zurückkommt, liegt das Tier bereits auf der zurückgeschlagenen Bettdecke, verteidigt diese Position mit Zähnen und Klauen und macht es unmöglich, sich wieder ordnungsgemäß in Wärme und Traum zurückzuflüchten. Na ja, okay, dafür wird dann geschnurrt wie bekloppt. Ist doch auch schön.

Montag, 27. Oktober 2008

Bond-Girls

Angespornt durch die Werbeattacken des neuen James-Bond-Films liste ich hier die von mir nach wissenschaftlichen Kriterien subjektiv bestimmten knackigsten Bond-Girls auf und verweise im Link auf je ein subjektiv ausgewähltes Foto der britischen Seite James Bond Multimedia. Die wissenschaftlichen Kriterien nehmen keinerlei Rücksicht auf schauspielerisches Talent oder die Größe der Rolle, sondern wurden ausschließlich nach hormonellen Gesichtspunkten erstellt.

Daniela Bianchi (Liebesgrüße aus Moskau)
Luciana Paluzzi (Feuerball)
Diana Rigg (Im Geheimdienst Ihrer Majestät)
Jane Seymour (Leben und sterben lassen)
Caroline Munro (Der Spion, der mich liebte)
Lois Chiles (Moonraker)
Carey Lowell (Lizenz zum Töten)
Izabella Scorupco (Goldeneye)
Famke Janssen (Goldeneye)

Demnächst eine Liste mit den knackigsten Gadgets aus der Abteilung Q.

Sonntag, 26. Oktober 2008

Fern der Heimat

Ich war gerade mal eine Leih-DVD in den Briefkasten einwerfen und nachschauen, ob mein Auto nach Wochen der Nichtbenutzung noch unangetastet in der Volksgartenstraße steht. Auf dem Bürgersteig lag Honecker und schaute mich ratlos an.
Jemand hat ein Buch über die SED, ein offizielles, „wissenschaftliches“ Werk aus originalen DDR-Zeiten, zu einzelnen Seiten oder Seitenbündeln zerrissen und dort über die Straße verteilt. Erichs Foto war ganz vorne drin, gleich nach dem Titelblatt, und er salbaderte offenbar ein Vorwort über „die Partei der sozialistischen Glückseligkeit“. Jetzt liegt er da, fern der Heimat, und Füße trampeln auf ihm rum und Herbstlaub bedeckt ihn. Ich denke, ich gehe mal eben zurück mit etwas Tesafilm, hebe ihn auf und klebe ihn auf Augenhöhe an einen Laternenmast, damit er wenigstens etwas menschliche Würde zurückerhält, die arme Sau.

Spaziergang

Wir haben gestern auf einem gefühlten 20-Kilometer-Spaziergang eine Gegend erkundet, die wir noch nicht kannten. Vorgebirgspark und Volkspark – nicht zu verwechseln mit dem Volksgarten, an dem wir sozusagen dranwohnen.
Nach den hochaufragenden 70er-Jahre-Wohnbunkern am Vorgebirgspark, der traurig und vereinsamt aussehenden Event-Agentur Party People im Erdgeschoss eines Wohnhochhauses und der puppigen, von Friseurläden dominierten Markusstraße, auf der ein einzelner schwuler Storch einen abfahrenden Bus zu erwischen suchte und uns kurz zum Lachen brachte, deuchte uns vor allem die Gegend westlich zwischen Brühler Landstraße und Militärring sehr merkwürdig. Ein Wohngebiet zwischen Einfamilienglück und Villengrundstück, mordsmäßig ruhig, um nicht zu sagen völlig tot. Wir waren die Einzigen, die sich dort bewegten. Selbst der Trimmpfad am Rand des Volksparks wirkte, als sei er noch nie benutzt worden. Ab und an sah man Schatten hinter den Fenstern der Häuser vorbeihuschen. Ein eigenartig dreinschauendes Kind fuhr Fahrrad, stieg gleich neben uns ab und ging in ein Haus, in dessen leeren Fenstern „Zu verkaufen“-Schilder hingen. Ich schwöre Stein und Bein, dass ich sah, wie es sich im Inneren, hinter der Haustürscheibe, in Nichts auflöste.
Weiter durch gibt es Bungalow-Bunker mit hohen Mauern und Zäunen drumherum, und an einer Festungstür hing noch die Brötchentüte, die der mobile Bäcker dort hingehängt hatte. Wir verzichteten darauf, sie für die Enten mitzunehmen, denn wer weiß, was in diesen Brötchen drin ist und zu was die Enten nach dem Genuss werden? („Killer-Enten terrorisieren Köln-Süd! Watschelmonster übernehmen die Stadt! Enten fordern 50 Milliarden Euro und ein Flugzeug nach Kuba!“)
Die Gegend liegt im Schatten des Deutsche-Welle-Hochhauses, das man von jeder Position aus sieht, und wir vermuteten, dass von dort eine Art Strahlung ausgeht. Ein Quantenfluktuationsbeam, der alles Lebendige in dem Viertel irgendwie phasenverschiebt. Mitten drin befindet sich auch die Bundeswehr-Fachschule, komplett verlassen und mit im Wind rollenden Tumbleweeds auf dem Parkplatz. Womöglich hat Oberst Schnurmann von der Fachabteilung Forschung hier ein geheimes Dislokationsexperiment durchgeführt, das außer Kontrolle geriet und schrecklich schiefging. Dann fuhr ein einsamer Polizeiwagen an uns vorbei, in einer solch ruhigen Gegend ein eher ungewohnter Anblick, weswegen wir vermuteten, dass die Staatsmacht sehr wohl etwas über die merkwürdigen Geschehnisse in dem Viertel weiß, es uns aber nicht mitteilt. Am Volkspark stieg dieser Typ im Sportdress aus seinem Twingo, stand eine Weile einfach nur herum wie eine Salzsäule, als sei er schrecklich verwirrt, schüttelte sich, flackerte einen Moment im Quantenfluss und begann dann damit, mit Schmackes einen Fußball gegen die Tür seines eigenen Autos zu treten.
Im Vorgebirgspark kamen wir an eine von Bäumen bestandene Wegkreuzung. An einem Ast baumelte zu unserer Überraschung ein ektoplasmatischer Gehängter, und aus seiner Hose tropfte irgendwas zu Boden. Aus dem Boden glaubten wir Schreie zu vernehmen, wie von einem kleinen Kind. Wir gingen schnell weiter und folgten den drei älteren Nordic-Walking-Damen, aber nur so weit, bis die eine sagte, sie kenne da diese erstklassige Boutique in Moskau und sie müssten eben mal da lang nach Nordosten, an dieser Baumgruppe dort vorbei, um hinzugelangen. Wir verließen den Park an dieser Stelle, denn was wollten wir bitteschön in Moskau?
Auf dem Rückweg lief auf der Vorgebirgstraße noch dieser andere Kerl vor uns her, der an jedem gelben Briefkasten anhielt, die Klappe öffnete, hineinspähte und lauthals „Bettina?“ rief.
Irgendwie waren wir doch froh, wieder zu Hause zu sein. Aber seit gestern leuchtet meine Hand im Dunkeln.

Freitag, 24. Oktober 2008

Lasst es, wie es ist

Ich würde sagen, lasst das Fernsehen einfach, wie es ist. Ich finde erfahrungsgemäß irgendwo etwas. Bin da nicht sehr anspruchsvoll. Ich kann auch manchmal einfach nur fünf Minuten nackte Titten bei DSF anstarren, bevor ich zur Doku über Bert Brecht oder Erich Maria Remarque wechsle, um danach eine sozialdarwinistische Reality-Soap in Gestalt einer Kochsendung zu goutieren.
Es gibt nur einige wenige Gestalten, die ich überhaupt nicht ausstehen kann. Bei Mario Barth versuche ich immer noch analytisch heranzugehen und herauszufinden, worüber diese Menschenmasse da gerade lacht, und den Namen der Kultur-Moderatorin des SWR weiß ich deshalb nicht, weil ich stets umschalte, bevor er eingeblendet wird. Wenn dabei die Fernbedienung nicht schnell genug auffindbar ist, kann es passieren, dass ich wild schreie.
Ansonsten sollte man sich hauptsächlich amüsieren. Über die gesellschaftliche Relevanz von Detlef Soost, die Chuzpe von Dieter Bohlen, die Lustlosigkeit von Stefan Raab, die Müdigkeit von Harald Schmidt, die komplette Sinnfreiheit eines Universums, das sich durch Jana und Dingsbums – Wir sind schwanger mitteilt. Oder durch, noch schlimmer, ein Pilawa-Geschichtsquiz mit Beteiligung von Mirja Boes und Guido Cantz.
Lasst das Fernsehen doch einfach, wie es ist.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Collector's Fun

Besitze ich oder besaß ich mal:

Poster

T-Shirt

Aufnäher

Aufnäher

Anstecker (ging vor exakt 21 Jahren verloren und wurde vermutlich in irgendeinem Trierer Pub nach Feierabend aufgefegt.)

Anstecker

Anstecker

Anstecker

Memorial-Fanzine Robert Calvert

Picture Disc


Würde ich gerne besitzen:

Anstecker

Feuerzeug

Anstecker

Bassgitarre

Anstecker

Anstecker

Opa Neckel

Heute wird mein Großvater 100 Jahre alt. Wäre 100 Jahre alt geworden, wenn er nicht anno 1995 die Welten gewechselt hätte. Er war Maurer und Bauer und Kommunalpolitiker und Träger der Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz. Er ging Jahrzehnte, nachdem er den Bauernhof an den Sohn weitergegeben hatte, immer noch täglich herum, um sich des ordnungsgemäßen Wachstums von Mais, Hafer, Gerste zu vergewissern. Manchmal sehe ich auf den alten Pfaden noch seine Silhouette in einiger Entfernung. Unverkennbar mit dem Stock und den hellen Turnschuhen.
Glückwunsch, Opa Neckel. Immerhin kannst du mit Frau und Tochter anstoßen, aber auch von mir ein herzliches Prost mit dem Kölschglas.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Mundräuber





Nussbaumviertel

Während man selbst noch faul im Bett liegt, wird draußen schon schwer gearbeitet. Es gab gestern eine neue Nusslieferung, diesmal nicht nur ein Eimer, sondern etwa dreizehn Tonnen schmackhafter Landnüsse von den Reitersmann'schen Plantagen. Das Bruttosozialprodukt der städtischen Eichhörnchen-Population steigt gerade sprunghaft. Flitzen, springen, knabbern, buddeln, den Wohlstand mehren. Die Nuss-Zentralbank flutet den Markt gerade mit Kapital. Aus allen Richtungen kommen die Anleger geflitzt und rennen dann mit ihren Aktivposten geschäftig ums Haus, sogar vor der Haustür hat ein Kunde sein Depot angelegt.
Wenn aus jeder Nuss, die diese braunen Hoppelblitze da draußen vergraben, ein Baum sprießt, wird die Neustadt-Süd in 200 Jahren bekannt sein als "das Nussbaumviertel".

Dienstag, 7. Oktober 2008

Finanzmarktkrise

Die Finanzmarktkrise hat uns alle fest im Griff. Heute wurde ich Zeuge, wie ein paar Straßen weiter ein johlender Mob aus Rentnern und Mittelständlern zwei Banker und einen FDP-Abgeordneten an einem Laternenmast aufgehängt hat. Ich habe mich nicht beteiligt, aber geholfen habe ich den Delinquenten auch nicht. Die Polizeistreife, die vorbeifuhr, übrigens ebensowenig. Wahrscheinlich haben sie Anweisung von Angela persönlich, bei solchen Vorfällen nicht einzugreifen. Mann, muss die sauer sein, die Angela!

Sonntag, 5. Oktober 2008

Marathon

Mal eben dem Köln-Marathon beigewohnt, natürlich am Straßenrand. Hübsches, ereignisreiches Nadelöhr an der Haltestelle Ulrepforte: Von der einen Seite kommen sie alle rein, laufen eine Sechs-Kilometer-Runde und kommen von unten wieder hoch, direkt am Haus vorbei, vorneweg eine Gruppe von dreißig schlanken Schwarzen (Zwischenzeit 0:33 h bei Kilometer 11), danach erstmal zehn Minuten keiner mehr. Zuvor waren die Inliner und Handbiker dran. Wir haben stolz durchgehalten bis zum Schlusswagen, dabei auf dem Bürgersteig gemütlich Kaffee getrunken und geraucht.
Mit dem Lebensmotto „Sport ist Mord“, mit dem man immer sehr gut gefahren ist, kommt man sich an so einem Tag vor wie eine ganz kleine Minderheit.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Nuss-Gourmets


Ja, Gourmets. Wir müssen jetzt im Plural sprechen. Es sind zwei Hörnchen, womöglich sogar drei. Der eigenartige braune Strich auf dem Foto ist eines davon, wie es gerade in meine Nuss-Kiste düst, die inzwischen den Eimer ersetzt hat. Die Viecher sind so schnell, dass sie auf herkömmlichen Kameras nur Striche hinterlassen.
Ums Haus herum hat ein hektischer Pendelverkehr eingesetzt: kleine braune Wuselschemen mit dicken Nüssen im Maul.

Nuss-Gourmet

Das Eichhörnchen hat den Eimer mit Nüssen auf dem Balkon entdeckt. Es gelangt über einen kleinen Baum, eher eine Hecke, bis dorthin. Dann sitzt es unverfroren auf der Brüstung, gerade mal einen halben Meter vom morgendlichen Raucher entfernt, und linst ebenso skeptisch wie gierig in den Eimer. Inzwischen habe ich mir sagen lassen, dass man Walnüsse aufknacken soll, ehe man sie den Hörnchen präsentiert. Die sind nämlich relativ blöd. Sie schleppen die ungeknackten Nüsse weg und verbuddeln sie, weil sie zu sperrig sind fürs eigene Nest. Später finden sie sie aber nicht wieder. Also habe ich nun unter den Augen des Eichhörnchens eine Handvoll Nüsse geknackt und auf die Brüstung gelegt. Ich vermute mal, wir werden das niedliche kleine Luder nun nie wieder los.

Montag, 29. September 2008

Nüsse

Gestern war mein Vater da und hat einen Eimer voll Walnüsse mitgebracht, von den zahlreichen baumbewachsenen Anwesen rund um das Dorf, das meine Familie seit dem Jahr 953 n. Chr. beherrscht und skrupellos unterdrückt. („Eines Tages, mein Sohn, wird das hier alles dir gehören.“ – „Was? Die ollen Gardinen?“)
Es sind schmackhafte Nüsse, jahaa, aber zu viele für uns allein, also teilen wir sie mit den Eichhörnchen. Heute habe ich testweise eine Handvoll auf das Garagenflachdach gelegt und konnte dann zuschauen, wie eines der Viecher mit dem Pendelverkehr begann. Nuss aufnehmen, anknabbern zwecks Geschmacksprobe, dann abflitzen in Richtung Versteck 1. Sofortige Rückkehr, Nuss aufnehmen, anknabbern wegen Geschmacksprobe, dann abflitzen in Richtung Versteck 2. Sofortige Rückkehr, Nuss aufnehmen, anknabbern wegen Geschmacksprobe, dann abflitzen in Richtung Versteck 1. Sofortige Rückkehr, Nuss aufnehmen, anknabbern wegen Geschmacksprobe, dann abflitzen in Richtung Versteck 2 …
Statt die Nüsse geschwisterlich mit dem Rest der Population zu teilen, reißt das kleine Luder sie sich alle selbst unter den Nagel. Wahrscheinlich werden demnächst im Express Fotos vom „fettesten Eichhörnchen Kölns“ zu sehen sein, unter dessen Gewicht Äste brechen und Bäume sich neigen. Der Eimer ist immer noch bis oben hin voll.
Will jemand ein paar Walnüsse? Eventuell auch ein paar Äpfel frisch vom Baum?

Wahlabend

Was ich eigentlich recht angenehm und meditativ finde an Wahlabenden im Fernsehen, sind diese laufenden Textbänder mit den Hochrechnungen am unteren Bildrand. Wenn man intensiv genug draufschaut, schläft man um 18.05 Uhr ein und wacht erst wieder so gegen Mitternacht auf und hat das ganze grässliche Geschwätz verpennt.
Ich nehme an, Geschöpfe wie Pofalla, Haderthauer, Heil, vielleicht sogar Westerwelle drängten vor die Kameras, aber ich habe sie alle verpasst und stattdessen von Blümchenwiesen geträumt, von glücklichen Kühen und einem notgelandeten weiblichen Alienwesen, das sich über und über mit Akazienhonig beschmiert.

Freitag, 26. September 2008

500 Euro

Heute Nacht habe ich geträumt, ich hätte Nähe Altermarkt ein Pilgermedaillon gefunden, so ein Mariendingsbums an einer Kette. Hatte eine Dame aus dem Saarland verloren, denn an der Kette hing zusätzlich ein zerfledderter Zettel mit der Adresse, geschrieben in kleinkrakeliger Altfrauenschrift. Ich schickte es per Post dorthin und erhielt einen dicken Umschlag mit 500 Euro in kleinen Scheinen zurück. Ich schickte die 500 Euro retour und schrieb, ich hätte das doch gern getan.
Nach dem Aufstehen war ich verdammt stolz auf mich. Ich wollte immer schon zu den Guten gehören.

Donnerstag, 25. September 2008

Kathleen

Noch so eine Dame, mit der der späte Knabe/werdende Jungmann sozialisiert wurde. Kathleen Turner war eine wortwörtliche Erscheinung der 80er.
Aber Kathleen, das hat man instinktiv begriffen, war eine für die Erwachsenen. Viel zu verrucht. Nicht so ein nettes Mädchen mit jungfräulichem Outfit, burschikoser Aura, verschämt erotischem Augenaufschlag oder plump vorgestrecktem Vorbau. Kathleen war die Femme Fatale, die würde einen Jungmann mit Haut und Haaren auffressen. Oder ihm zumindest bei verbotenen Aktivitäten beiläufig das Rückgrat brechen, wie sie es mit Michael Douglas in Der Rosenkrieg beinahe tut. Es machte dennoch Spaß, bei den Erwachsenenspielen mal Zaungast zu sein und sich in Kathleen-Phantasien zu ergehen. Das Animalische hinter der bürgerlichen Fassade der Erwachsenen.
Sie hat natürlich auch hochkommerzielle, harmlose Filmchen gedreht, allen voran den Grüne Diamanten-Zweiteiler, und romantische Sachen wie Peggy Sue hat geheiratet, aber selbst in einem reinen Spaßfilm wie Der Mann mit den zwei Gehirnen lässt sie das kalt lächelnde Raubtier raus und macht einen verwirrten Nerd wie Steve Martin völlig fertig. Von Body Heat, China Blue, Die Ehre der Prizzis und auch Der Rosenkrieg mal ganz zu schweigen. Kathleen war gewiss nicht die schönste Frau der Welt, aber irritierend selbstbewusst und sexy – und freizügiger als alle ihre Kolleginnen, die in derselben Liga spielten.
Und selbst wenn Kathleen sympathisch wurde und sich in die Opferrolle begab, kam dabei irgendetwas Dampfendes heraus. Ein wenig beachteter Film von ihr ist Julia & Julia, eine italienische Produktion von 1987. Damals als irrelevant weggescheucht, erkennt man heute in dem Film ein innovatives Konzept, das inzwischen ganz selbstverständlich als „Mystery“ definiert wird. Kathleen lebt darin in zwei Zeitsträngen, in Beziehungskisten-Paralleluniversen, und huldigt Hitchcocks Vertigo ebenso wie den wehenden Gardinen aus der klassischen Geistergeschichte. Sie ist mal mit Gabriel Byrne verheiratet, mal springt sie mit dem animalischen Sting in die Kiste, wobei die eher schüchterne Kathleen selbst zum Tier wird. Unterschätzter, verrätselter Film, der nicht auf DVD vorliegt. Und die VHS ist schwer zu kriegen, stammt dann aus den späten 80ern und ist völlig abgenudelt.
Nun ja, Kathleens Attraktivität hat seither ein wenig gelitten, was zurückzuführen ist auf den frühen Ausbruch einer rheumatischen Erkrankung sowie die damit verbundene Medikation, Cortison usw. Bedenklich ist, dass sie Gerüchte über Alkoholismus nie dementierte und ihre Krankheit erst sehr spät eingestand. Das Argument: Wenn man säuft, kriegt man in Hollywood trotzdem Rollen, wenn man hingegen körperlich krank ist, wird man übergangen.

Dienstag, 23. September 2008

Ein halber Millimeter

Habe ich eigentlich schon mal die Geschichte erzählt, als Gefreiter E. auf unschuldige Zivilisten geballert hat? Heute Nacht habe ich wieder davon geträumt.
Nein, er hat nicht wirklich auf sie geballert, nur in meinem Traum, wohl aber hat er damals das G3 durchgeladen, auf sie angelegt und mächtig gebrüllt. Es war Gelöbnis in der Kaserne, jener feierliche Moment, wenn das Jungkanonenfutter seine Haut verbal dem Staat verkauft. Die Besucher des Gelöbnisses, zumeist Familienmitglieder der Betroffenen, waren angehalten worden, ihre Wagen auf dem zentralen Parkplatz abzustellen und sich nur in der Nähe des Gelöbnisplatzes aufzuhalten – und keinesfalls herumzulaufen oder gar übers Areal zu fahren.
Wir, Gefreiter E. und ich, liefen derweil voll durchgestylt und komplettbewaffnet Streife oben im technischen Bereich und schützten staatliches Eigentum. Und was geschah nach dem Ende des Gelöbnisses? Kommt da so ein vollbesetztes Auto angeheizt, direkt auf uns zu und entgegen aller wohlmeinenden Anweisungen des Sicherheitsoffiziers, und die Insassen glotzen sich wie die Fische all unsere militärischen Geheimnisse an: elegante Wellblechschuppen, herumstehende Militärlaster Baujahr 1953, die Kasernen-Tankstelle. Da hat das Jungkanonenfutter sich also eingebildet, seiner Familie mal eben eine automobile Führung durch die Kaserne anbieten zu können. O je, dieses Jungvolk und seine Zivilistenfamilien! Sie hatten keine Vorstellung vom Ernst der Lage.
Das konnte Gefreiter E., Winzersohn von der Mosel, nämlich nicht dulden, riss sich die Waffe von der Schulter, lud für alle sichtbar durch, entsicherte und legte an. Ich sah ganz genau, dass er den Sicherungshebel auf Dauerfeuer stehen und den Abzugsfinger allen Ernstes bis zum Druckpunkt gekrümmt hatte, und machte mir eine Sekunde lang Sorgen um ihn und um das irre Glitzern in seinen Augen und sein lautes, unartikuliertes Befehlsgebell. Einen halben Millimeter weiter mit dem Fingerchen, und es wäre übel ausgegangen für die Glotzfamilie. Und vermutlich auch für uns.
Ich hob die Hand wie ein Schutzpolizist und trat dem Auto mit den Glotzfischen in den Weg. Und mit dem Rücken in die Schusslinie des Gefreiten E., wobei ich nicht wusste, ob er das Gewehr gerade rücksichtsvoll wegschwenkte oder weiter voll drauf hielt. Das Auto stoppte abrupt, und so schnell, wie dieser Wagen dann im Rückwärtsgang abdampfte, das bekamen damals nicht mal die Stuntleute des Siebten Sinns hin. Gefreiter E. rüstete umgehend ab und gönnte sich eine Zigarette.
Ja, okay, mit so einer Geschichte lockt man heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor, heute ist so was in Bosnien oder Afghanistan gang und gäbe, womöglich sogar auf jedem zweiten Schulhof der Republik, aber damals war das wirklich irre sexy. Dennoch versuchte ich im Folgenden, Streifengänge mit Gefreitem E. zu vermeiden.

Montag, 22. September 2008

Herbstgewölk

Neueste Meldung aus dem US-Wahlkampf

Der Hacker, der republikanische Webseiten mit Slogans wie
„Ich hatte außerehelichen Verkehr mit Sarah Palin!“
„Jagt sie über die Beringstraße!“
„Sarah Palin isst Haschkekse!“
„Haltet sie bloß fern vom roten Knopf!“
oder
„Das Licht hier in Alaska ist so verdammt trübe!“
überrannt hat, wurde gefasst. Es handelt sich um Sarah Palins werdenden Schwiegersohn.

Sonntag, 21. September 2008

Herbstkind zwo

Herbst ist auch der Sankt-Martins-Umzug. Damals noch mit echten Kerzen in den Laternen. Ich habe geheult, als mein blauer Mond damals verbrannt ist, im Straßengraben sein Leben aushauchte und seine Seele kräuselnd zu den Sternen schickte. Danach bekam ich einen neuen Mond mit elektrischer Glühbirne und Batterie im Laternengriff. Leuchtete aber nicht mehr ganz so schön.
Herbst ist auch die Zeit der braunen Finger, die man nur unter größten Mühen wieder sauber kriegt. Das kommt von dem Saft in den grünen Walnussschalen. Walnüsse schmecken nämlich nur dann richtig, wenn sie ganz frisch sind, wenn man die blassbraune Haut von der blendend weißen Nuss noch problemlos lösen kann. Solange Nüsse noch in diesem Zustand sind, befindet sich meistens noch die grüne Schale um die ganze Frucht. Bevor man die harte Nuss knacken kann, muss man sie erst aus dieser Schale fummeln, was dem Knaben braune Finger verschafft. Egal, er verbringt ganze Abende damit, Arbeitsleistung in das Schälen, Knacken und Essen von Walnüssen zu investieren. Draußen rüttelt derweil der Nordwind am Fensterrahmen, und die ersten Frostgeister, die auf ihm reiten, kratzen an der Scheibe, aber der Knabe hört nur das Quietschen des alten Nussknackers aus Omas Küche, das Knirschen und Brechen der Schalen und das eigene Schmatzen.
Herbst ist auch die Zeit der abendlichen Spaziergänge. Durch bewohntes Gebiet ist am reizvollsten. Es ist gerade mal 19 Uhr, und die Fenster sind erleuchtet und gewähren Blicke aufs Familienleben der anderen und auf ihre Abendessenteller. Da bleibt man auch schon mal stehen in der Kälte, schaut den Ahnungslosen zu bei ihren harmlosen Aktivitäten, beneidet die da drin ein bisschen wegen der Wärme und der Routine, kommt sich vielleicht sogar vor wie der Steppenwolf (sofern man den in dem Alter schon kennt), bevor man umdreht unter dem kalt blinzelnden Sternenzelt und zurückgeht in die eigene warme, erleuchtete Stube, sich aus der Jacke pellt und so ziemlich dasselbe zu Abend isst wie diese Leute.
Herbst ist auch, wenn man unbemerkt durch die Feenpforte tritt, weil man den Pilzkreis am Boden übersieht, und man unsichtbar wird und das Reh im Wald einfach nur stehenbleibt statt abzuhauen.
Herbst ist auch jagende Wolken, von vorne kommender Regen und flotter Marsch im Regencape, während sich auf den abgeernteten Feldern neben einem die Hasen ducken und die Raubvögel ungeachtet des himmlischen Dammbruchs einfach auf den Ästen sitzen und kühl die Vektoren der flitzenden Mäuse abschätzen.
Herbst ist nasser Arsch, wenn man auf der abschüssigen Wiese ausrutscht.
Herbst ist tote Tiere am Straßenrand. Die sind dann alle rollig, suchen sich einen zum Ficken und werden dabei plattgefahren. Die weithin unterschätzten Gefahren des Vermehrungsdrangs.
Herbst ist Rauch und schwarze Kartoffel und tränende Augen, Herbst ist dunstige Dämmerung und Rauchsäulen am Horizont und Erntedankgaben von den Bauern einsammeln und die Hälfte davon auf dem Weg zum Herrn Pfarrer selber fressen.

Freitag, 19. September 2008

Herbstkind

Es ist noch nicht ganz so weit, aber ich bin ein Herbstkind und nähere mich meiner jährlichen biorhythmischen Hochphase. Der Geburtstag ist in gut einem Monat, und ich spüre da bereits was. Es wird langsam mal wieder Zeit. Braunes Laub, gefilterte oder ganz verborgene Sonne, Nebelschwaden, Einrollen in die süße Melancholie des Vergehens.
Auf dem Stadtbalkon ist man bereits jetzt einem Kastanien-Bombardement ausgesetzt, die ersten bräunlichen Blätter rieseln auch und bedecken die Flachdächer der Garagen. Im Hinterhof raschelt es schon im gefallenen Laub, wenn die Eichhörnchen nach ihren Preziosen suchen. Der Oleander kommt wahrscheinlich bald in den Keller, vorsichtshalber. Im Dunkeln nur mit T-Shirt und Unterhose auf dem Balkon stehen (keine Sorge, hinten raus!) und qualmen, wird zunehmend zu kühl. Muss mir vor dem Rauchen Hose anziehen und Pullover überwerfen. Die Katze wird auch dicker und flauschiger.
Wenn man erstmalig testweise die Heizung hochdreht, weht dieser „Wärmegeruch“ durch die Bude, der einen irgendwie schon an Weihnachten erinnert. Weihnachten ist dann allerdings wieder außerhalb der biorhythmischen Hochphase, denn die beste Zeit ist Ende Oktober bis Ende November. Braunschrumpelige Walnusszeit, Nebelzeit, Friedhofszeit, Vielfarbenzeit, Übergangszeit. Der Herzschlag wird langsamer.
An schönen Tagen gibt es auf dem Land auch diesen charakteristischen Geruch nach Herbstfeuern, wenn Bauern Vegetationsreste auf den Feldern verbrennen und Laubhaufen schwelen. Die Rauchsäulen ziehen erst schnurgerade nach oben, ehe sie gegen eine unsichtbare Barriere zu stoßen scheinen, abknicken und den Geruch gemächlich durchs ganze Tal tragen. Da muss man schon auf der Fahrt von den Höhenzügen ins Tal die Lüftung im Auto voll aufdrehen. Nachts blinkt an solchen Tagen der überwältigende, kalte Sternenhimmel auf einen herab, während man den Rauchgeruch noch in der Nase hat. Neben einem schnüffelt der Igel lautstark und macht sich über den Napf der Katzenstreuner her.
Am Tag schlurft man mit den Wanderstiefeln durch knisternde Laubschichten und schaut nach oben, wie die Knochen der Bäume in den schiefergraublauen Himmel greifen, als wollten sie sich daran festhalten. Oder man marschiert anderntags durch den Nebel, gespannt, was als Nächstes daraus hervortritt, während schon das Knacken von Ästen, das Rascheln von Laub und Atemgeräusche zu hören sind. Ein argloses Reh oder Wildschwein, ein Wanderer mit Hund, ein Erlkönig, der einen fressen will? Spannende Sache. Und aus den alten Baumstämmen in unmittelbarer Umgebung schauen einen grinsende Gesichter an, verfolgen einen mit starrem Blick und erzählen sich wahrscheinlich gerade gegenseitig Witze aus der römischen Besatzungszeit.
An den Stacheldrahtzäunen, an denen die Feuchtigkeit sich niederschlägt, bleibt man stehen, geht ganz nah heran und betrachtet einen Moment lang die grauschillernde Welt in einem Wassertropfen. Tags darauf, wenn die Sonne wieder scheint, werden diese Welten nämlich verdunstet sein. Herrje, ist das alles vergänglich, und man weiß nicht recht, ob dieser Schauder gerade von der Kälte kommt oder von so etwas Absurdem und völlig Unzeitgemäßem wie Demut. Aber die Erfahrung sagt einem, dass spätestens der Mai wieder alles neu macht. Also bitte keine Panik. Ein bisschen Melancholie hingegen muss drin sein.

Mittwoch, 17. September 2008

Geduld

Klar doch, genau an dem Tag, an dem ich die fünfzig Kilo mehr oder weniger relevanter Manuskripte endlich zur Post-Filiale schleppe, herrscht dort Ausnahmezustand. Schlange bis auf die Straße. Die Kunden mutmaßen, es habe etwas zu tun mit der gestrigen Schließung wegen Betriebsversammlung. Kommen also alle Kunden von gestern heute noch mal. Drinnen tun dann erfreulicherweise ganze zwei Mitarbeiterinnen Dienst, weniger als im Postbank-Investment-Center gleich nebenan. Der Typ vor mir hat den Mund offenstehen, zuckt komisch und spricht alle, die rauskommen, mit "Mojen. Bitteschön!" an. Ich hoffe, er schaut nicht nach hinten, findet mich spontan nett und beginnt ein Gespräch über die Spanische Eröffnung beim Schach, über Onanieren oder Heilkräuter. Dann würde ich nämlich freiwillig einige Leute vorlassen müssen.
Eine Familie, die sich gleich komplett versammelt hat, bringt einen Großauftrag. Fünfundzwanzig Pakete an die arme Verwandtschaft in Kasachstan. Sie haben nur die Waren dabei (Kleidung), aber keine Pakete. Die müssen erst vor Ort gepackt werden, natürlich möglichst günstig. Keine Ahnung von Paketformaten, keine Ahnung von Tarifen und auch keine von die deutsches Sprach, aber bitte schon mal anstellen, während die Mamuschka noch fröhlich vor Ort Pakete mit Kleidung vollpackt und beileibe noch nicht fertig ist, als das anstehende Familienmitglied drankommt. Ach, was wird das für ein herrliches Getümmel! Kasachische Menschenkette von der packenden Mamuschka zum Schalter, mitten durch die Schlange der geduldigen Mitbürger, von denen sogar welche mit weiterreichen. Die Angestellte bearbeitet ein Paket nach dem anderen, während Mamuschka in Hockstellung weiterpackt, schreiende Kleinkinder belabert und Adressaufkleber beschriftet, vermutlich auf Russisch, und das Familienmitglied am Schalter sich lauthals einen über Portogebühren radebrecht. Zwischendurch muss auch noch ein alter zittriger Herr mit Gehhilfe, der aus dem Investment-Center getippelt kommt, durch das Getümmel geschleust werden. Ich habe irgendwann die Übersicht verloren und hoffe, dass er nicht aus Versehen eingepackt wurde und sich jetzt auf dem Weg nach Kasachstan befindet.
Als ich dann dran bin, taucht die dritte Mitarbeiterin auf, die man per rotem Telefon aus dem Abfeiern der Überstunden herzitiert hat. Zu spät für mich und meine Mitbürger. Der Typ vor mir hat im Laufe der Wartezeit tatsächlich ein Gespräch begonnen, erwies sich als ein bisschen neben dem Gleis, aber auch als sehr freundlich. Hatte mit Schach, Onanie und Heilkräutern nichts am Hut, sondern wollte selbstreferentielle Kommentare zum Thema Warteschlange loswerden, bevor er aufs Wetter kam. Kein Problem für mich.
Ich beobachtete derweil mich selbst und die anderen Kunden in der Schlange und stellte dabei fest: Eigentlich habe ich echt eine Engelsgeduld. Wichtig erschien mir während dieser halben Stunde in erster Linie, dass die in Kasachstan warm angezogen sind, wenn dort der Winter kommt.

Sonntag, 14. September 2008

Tag des offenen Denkmals

Die Kirche St. Paul in unserer direkten Nachbarschaft ist relativ neu, Anfang des 20. Jahrhunderts, ist aber immerhin hübsch neu(spät)gotisch. Wenn man bei uns auf dem Balkon steht und dort hinaufschaut, befällt einen kurzzeitig das Gefühl, sich in irgendeiner englischen Kathedralenstadt zu befinden, Gloucester oder Canterbury meinetwegen.
Heute am Tag des offenen Denkmals haben wir mal die Gelegenheit ergriffen, dort raufzusteigen und uns das Viertel und unser Haus von oben anzuschauen. Zuvor gab es die ellenlange Führung eines jungen, netten, aber detailverliebten Gemeindeoberen, der die Geduld einiger Teilnehmer etwas strapazierte, bevor es dann endlich an die versprochene Turmbesteigung und den Marsch über die Hühnerleitern des Gewölbes ging.
Als noch spektakulärer empfunden wurde von uns der Besuch dieses Hauses in der benachbarten Straße, eines Gründerzeithauses, dessen vermodertes Dachgeschoss unlängst von einem Architekten ausgebaut, saniert und auf den neuesten Stand gebracht wurde. Auf den allerneuesten Stand. Es entstand im Treppenhaus eine Besucherschlange, da immer nur eine bestimmte Zahl von Leuten hinein durfte, und alle, die von oben herunterkamen, murmelten „Boah!“ oder „Meine Fresse!“ oder versicherten einem, dass das Warten sich lohne. Tja, das stimmte. Studentenbuden haben wir ja in all den Jahren genug gesehen, aber diesmal war die hippe, moderne Geldaristokratie dran, und wir bekamen auf einen Schlag die Jahresdosis Sozialneid verpasst. 280qm bewohnte Fläche mit modernster Ausstattung, ein Spielfeld für Designer, Accessoire-Süchtige, Möbelverrücker und Schöner wohnen-Chefredakteusen. Wir werden diese Wohnung gewiss noch in diversen Fernsehfilmen zu sehen bekommen, weil RTL sie ganz bestimmt bald für Dreharbeiten anmietet, um dem Publikum die Illusion zu verkaufen, in Deutschland würde selbstverständlich derart gewohnt. Was ich bislang noch nicht wusste, weil ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe: Es gibt spezielle Weinkühlschränke, die einem Weinregal nachempfunden sind und hundert oder mehr Flaschen immer auf der exakt einstellbaren Temperatur halten. 15 Grad, sagte die Digitalanzeige. Allein diese Stromkosten sind pure Dekadenz. Außerdem gibt es offenbar Mitbürger, die drei riesige Flachbildschirme (zweimal LCD, einmal Plasma) über ihre Bude verteilen und die Designerbadewanne freistehend neben das Doppelbett stellen. Und die Hochterrassen unterhalten, die andernorts als Parklandschaften durchgehen. Verräterisches Detail: Im lückenlos befüllten Bücherregal, das sich eine komplette Hochwand bis in die zweite Wohnetage hocharbeitet, entdeckte ich ein Exemplar von James Herberts Die Ratten und wusste sofort, dass dieses Regal mittels gedankenlos erstandener Flohmarktkisten bestückt worden war – reines Accessoire, denn Leute, die Weinflaschen derart kühlen, lesen definitiv keine Romane von James Herbert.
Als wir wieder unten vor der Tür waren, kam ein aufgedunsener Freak angeschlurft und fragte: „Haste mal ne Zarette? Schbin psüschisch krank.“ Wie schön, dass es das auch noch gibt.

Freitag, 12. September 2008

In der Stadt

Heute bin ich noch mal in die Stadt gefahren, aus keinem besonderen Grund, sondern nur wegen der Zerstreuung. Ich wäre jedoch vor den Toren beinahe wieder umgekehrt, denn der obligatorische Stau war besonders lang und hartnäckig. Wenn diese unheilige Allianz von Stadtverwaltung und Einzelhandel nicht in der Lage ist, für fließenden Verkehr zu sorgen, dann hat sie weder meine Parkgroschen noch meine Einkäufe verdient. Aber irgendetwas im Kleinhirn quengelt: „Halt durch, du Lusche, da unten wartet ein Kabeljaufilet auf dich!“
Okay, überredet. Dumpfes Vor-sich-hin-Starren und Auto meterweise rollen lassen.
Das Erste, was es in der Innenstadt wahrzunehmen gibt, ist der schrecklichste Straßenmusiker der Welt. Ich stehe gerade am Geldautomaten und denke, das Gerät sei irgendwie defekt, bis ich bemerke, dass das Gewinsel nicht von der Mechanik stammt, sondern von diesem Typen einige Meter weiter. Ein zahnloser Hutzel-Opa mit Klampfe und einer Haut, die wirkt, als sei er auf ihr einen Felshang in den Abruzzen runtergerutscht. Er klimpert und singt auf eine Art Experimentalitalienisch gezielt vorbeiflanierende Damen mittleren Alters an. Könnte auch Bulgarisch sein. Der Flirtfaktor eines Eros Ramazotti nach der Entsaftung. In München hätte man den längst in der Gummizelle verschwinden lassen, aber das hiesige Ordnungsamt ist definitiv zu liberal.
Später im Kaufhof geselle ich mich noch zu dieser Menschentraube hinzu. Folgendes war passiert: Ein junger Mann kommt die Rolltreppe runter, schreitet zwischen den Sicherheitsscannern durch, und es piept und blinkt. Der junge Mann bemerkt das gar nicht, sondern geht mit seinem Begleiter plaudernd einfach weiter. Es hält ihn auch niemand von den netten Herren in Blau auf, die haben gerade Mittagspause. Nun blicken gleichzeitig etwa ein Dutzend Kunden, die gerade nahebei am Stöbern waren, alarmiert auf und nähern sich dem blinkenden und piependen Scanner und beobachten ihn fasziniert beim Piepen und Blinken. Weitere Interessierte stoßen dazu, um diese Erfahrung zu teilen. Ich stelle mich einfach auch mal daneben und gucke mit. Das kleine Mädchen vor mir quiekt sogar, lacht ziemlich entfesselt und versteift sich ganz merkwürdig. Ich bekomme es mit der Angst zu tun, gehe schnell weiter und höre auf Höhe der Bücherabteilung die Durchsage: „Die kleine Persephone möchte von ihrer Mama am piependen und blinkenden Scanner abgeholt werden. Sie hatte eine mystische Erfahrung und hat sich ins Höschen gepieselt.“
An der Takeaway-Theke des Fischrestaurants ist ein älterer Herr vor mir, der gerade seine Fish and Chips über die Theke gereicht bekommt und nach Plastikbesteck in den bereitgestellten Schalen wühlt. Was er jedoch herauszieht, ist ein blutiges Skalpell und so eine Art kleines gynäkologisches Instrument. Im Idiom der Einheimischen ruft er, frei übersetzt: „Habt ihr hier kein anständiges Besteck?“ Die Küchenhilfe zieht das Messer aus dem Rücken ihres Kollegen, der kopfüber halb in der Friteuse hängt, und reicht ihm das. Dabei gerät sie in der Blutpfütze auf dem Boden ins Rutschen und muss aufpassen, sich nicht flachzulegen und komplett einzusauen.
Ich gehe dann mal wieder ohne Bestellung. Auf dem Rückweg zum Auto muss ich noch mal an dem Straßenmusiker vorbei. Er liegt dort, stranguliert mit einer Gitarrensaite, und die Zunge hängt ihm blau aus dem Mund. Außerdem hat eine unbekannte Dame ihm mit massig Lippenstift einen Kuss auf die grobporige Wange gedrückt.
Der Stau stadtauswärts ist dann nicht mehr so wild, weil offenbar einige arabische Studenten aus dem Studentenwohnheim heraus mit Bazookas auf die stehenden Autos geschossen und sie pulverisiert haben, bevor ein SEK wiederum sie pulverisiert hat. Soll mir recht sein, ich fahre ein bisschen Slalom um Autowracks und Trümmer des ausgebrannten Studentenwohnheims herum und habe freie Fahrt nach Hause.

Provinz mediale

Wenn man auf dem Land weilt und es regnet, sollte man sich auch massenmedial der Szenerie anpassen. Im Fernsehen ist es das bundesweit versendete, aber nicht zufällig vom regionalen Anbieter SWR produzierte Kaffee oder Tee?, eine Sendung für solche, die irgendwo auf dem Dorf hocken, während es regnet, und nachmittags nicht so recht etwas mit sich anzufangen wissen. Ideal also für mich. Es geht um das Wetter, um Gartenpflege, das Wetter, um Dorferneuerung, um regionale Künstler, um Yoga, das Wetter, Kochrezepte und um das Wetter. Zwischendurch werden auch mal niedliche Tiere vermittelt.
Ich frage mich allerdings, ob die wechselnden Moderatoren tatsächlich so harmlos sind, wie sie immer tun. Sie wirken allesamt wie mit der Schablone „Schwiegertochter/sohn“ gestanzt und sind das verständliche Gegenmodell zu all den hippen Moderationsuntoten der Dumpfbacken-Sender.
Aber diese liebreizende SWR-Dunkelhaarige von gestern zum Beispiel hatte beim Gespräch mit dem Wetterfrosch diesen ungemein kecken Blick drauf, und man musste kein Gebärdenexperte sein, um auch anhand anderer Signale zu erkennen, dass sie irgendwie spitz auf den zu sein schien. Erstaunlicherweise war der Wetterfrosch jedoch ein völlig unattraktiver Klotz, was mich zu der Vermutung verleitet, dass sie eventuell gerade ihren Eisprung hatte - oder gar nicht spitz auf den Wetterklotz war, sondern auf den Kameramann. Man vergisst bei diesen Heile-Welt-Dialogen in simulierter Kleingartenlandschaft ja sehr schnell, dass da eine Menge Typen herumstehen, die man ja gar nicht sieht und die eventuell gerade obszöne Gesten oder so was vollführen. Wer weiß, was da alles abläuft, während die Dunkelhaarige mal eben aus dem Bild verschwindet, weil eine andere Kamera fünf Minuten lang den Klimperheini aus Oberstolzenbachhausen bei seinem Herbstliedchen im Blick hat oder während der Einspielfilm über die Trachtentanzgruppe Prielmannsdorf-Unterbeuern läuft.
Die männlichen Moderatoren indes sind auch nicht übel. Der eine Blonde lachte neulich über einen Witz, der zuletzt im Jahr 1753 v. Chr. in einem Vorort von Jericho gesichtet wurde, derart lauthals, dass er gar nichts anderes sein kann als ein beinharter Zyniker. Und wenn er nach dem stundenlangen pseudo-interessierten Getue und all den Live-Beiträgen zu Blumengestecken, Haushaltsreinigung und dem Kochkurs mit Oma Martha Feierabend hat, sitzt er zu Hause vor der Glotze, zieht sich Michael Dudikoff auf DVD rein und wirft mit Bierflaschen nach seiner Frau. Wahrscheinlich ist er mit der Dunkelhaarigen verheiratet, weswegen es also echt kein Wunder wäre, wenn die dem Kameramann schöne Augen macht.

Donnerstag, 11. September 2008

Kreaturen der Nacht

Beim abendlichen Quarzen vor der ländlichen Haustür muss man aufpassen, dass man nicht auf den Frosch tritt, der in den Blumenkübeln wohnt und bei Dunkelheit herausgehüpft kommt. Sobald man ein paar Schritte von der Tür weggeht, muss man zwingend den Kopf einziehen, weil nach Einbruch der Dämmerung diese einzelne Fledermaus sich auf die Socken macht, die Straßenlaterne umschwirrt und Insekten abgreift, während vor einem dieser freche Marder sitzt und einen halbwegs fassungslos anstarrt. Geht man zur zweiten, oberen Haustür raus, gerät man womöglich zwischen die Fronten des Katerstreits, der sich um den Streuner-Fressnapf entspinnt, während der Igel, der in der Hecke wohnt, bloß blöd auf dem Gras sitzt und zuschaut. Wenn man danach in den dunklen Keller gehen möchte, um sich eventuell ein Eis aus der Kühltruhe zu holen, muss man aufpassen, dass die größte, haarigste Kellerspinne der Welt nicht gerade direkt auf dem Lichtschalter hockt.
Wenn man dann bei gekipptem Fenster im Bett noch etwas Fernsehen schaut, artikuliert sich draußen der Kauz, der sich offenbar direkt auf dem Fensterbrett mit einem Fuchs unterhält, jodeln die Kater und machen den Hansi Hinterseer, bevor einer von der Spezies Dorfproll die Straße hochfährt und bei offenen Fenstern auf seiner Monstro-Anlage Porno-Rap hört. Beim Runterfahren zehn Minuten später hört er Yvonne Catterfeld. Na, wenigstens konsequent.
Und wenn man dann schließlich nachts einsam im Bett liegt und gegen halb vier Uhr bedrängt und angeschubst wird, dann ist das nicht etwa der Geist der vorherigen Weihnacht, sondern das Hauskatzentier, das von seinem Lieblingsplatz, dem hohen Elternschlafzimmerschrank, herunterkommt ins Erdgeschoss, um zu überprüfen, ob man auch bloß ordnungsgemäß schläft.
Drei Tage länger, und ich werde mit all den Tieren sprechen und sie segnen.

Dienstag, 9. September 2008

Wetterschen

Hoppla, wassen das fürn Wetterschen heute?
Die Nacht bei offenem Fenster war geprägt von einem Kauz, der wild herumschuhut hat. Der Morgen grüßt mit dichtem Nebel im Tal, mit unsichtbaren muhenden Kühen hinter weißen Schleiern. Ab halb elf präsentiert sich der blankgeputzte Himmel in lieblicher Pracht.
Oh, da lasse ich den zu redigierenden Porno und den anzufertigenden Artikel doch mal zu redigierender Porno und anzufertigender Artikel sein und schlage mich skrupellos ins Gebüsch. Wenn ich nicht wiederkehre und dieses Weblog verwaist, dann wurde ich von Schafen angefallen, von Zecken ausgesaugt, liege irgendwo am Fuß einer Klippe, oder der Erlkönig hat mich im dunklen Tann geholt und schmatzt an meinen Eingeweiden.

Montag, 8. September 2008

Jau!

Nun ja, 15 DVDs wäre echt übertrieben gewesen, es wurden nur drei daraus. Darunter ein Klassiker, den man besitzen muss. Ich behaupte standfest und ohne im Moment weiter darüber nachzudenken, dass Jabberwocky der komischste Film der Welt ist, jedenfalls aber neben Robin und Marian der beste Film über das Mittelalter. Eine beeindruckende intellektuelle und technische Leistung. Ich liebe König Bruno den Fragwürdigen und Herrn Fishfinger; sie sind so authentisch.
Die neue Einkaufspassage kommt auf ein Drittel oder die Hälfte der Kalker Mall, in der ich ein und aus ging, als wir noch auf der Schäl Sick wohnten. Ziemliches Gewusel so früh nach Eröffnung, da muss man wohl noch mal in Ruhe durch. Einige Läden haben die Größe von Schuhkartons, und die Gänge in Kalk sind locker dreimal so breit.
Den besten Fisch der Welt macht übrigens nach wie vor Brauns Fischrestaurant in der Fleischstraße. War früher in der Kindheit immer etwas Besonderes, wenn man dorthin ging oder was mitgebracht bekam. In meinem Drang, verloren geglaubte Rauschzustände wiederherzustellen und nach Möglichkeit zu konservieren, trat ich also noch mal ein – und der Kabeljau war wirklich Jau!

Sonntag, 7. September 2008

Inklusorium

Wieder mal hüte ich das Haus auf dem Dorfe. Es herbstelt gewaltig auf dem Land, es stürmt geradezu, während da, wo mein Vater im Urlaub ist, offenbar die Sonne scheint. Fahrradfahren ist nicht, es sei denn, man möchte es Mary Poppins nachmachen und die Welt mal von oben betrachten. Außerdem sehe ich in einem Rock bescheuert aus. In der Dunkelheit und beim Rauchen auf der Terrasse irritiert mich ein neues rotes Licht am Horizont, das früher nie da war. Bei Tageslicht erkennt man, dass an dieser Stelle jetzt ein Windkraftrad über den Horizont lugt.
Die Katze ist mitgefahren und hat im Auto in ihren Transportkorb gekotzt, als ich diese eine Kurve zu rasant nahm. Es herrscht nun hier eine intensive Mensch-Katze-Kommunikation, aber keinerlei zwischenmenschliche. Ein formvollendetes Inklusorium. Meine zwischenmenschliche Kommunikation gestern bestand aus: „Eine Stange von den gelben Gauloises, bitte“ und aus „Nein“ auf die Frage „Auch getankt?“.
Kein Dorffest in Sicht, und das Dorfrestaurant hat dicht bis Ende des Monats.
Allerdings habe ich den Auftrag zu einem Artikel im Gepäck sowie einen Dark-Fantasy-Porno zum Redigieren, bei dem mir dauernd ganz wuschig wird. Zudem liegt hier ein riesiger Stapel Lokalzeitungen, den ich noch nicht angetastet habe, weil wirklich rein gar nichts Relevantes drinsteht in dem Blatt. Dann lieber Porno. Morgen gönne ich mir eine Fahrt in die Stadt, schaue mir die neue Einkaufspassage an, von der alle großkotzen, und kaufe mir 15 DVDs. Nein, definitiv keine Pornos.